Deadline - Toedliche Wahrheit
bedeutete, dass wir uns abwechseln mussten.
Mahir und ich arbeiteten an unserer Strategie – wenn man das so bezeichnen konnte – , während Becks schlief. Kelly sollte dabei darauf achten, dass wir nicht völlig den Verstand verloren. »Ich bin schon dazu bereit, für diese Story zu sterben«, sagte Mahir, ganz rational. »Es wäre mir bloß lieber, nicht zum Märtyrer zu werden und eine halb fertige Story zu hinterlassen.« Selbst George musste zugeben, dass diese Einstellung nur vernünftig war, und so steckten wir vier unsere drei Köpfe zusammen und versuchten uns einen Plan zu überlegen, mit dem wir uns nicht allesamt umbringen würden. Das war schwerer, als es klang, und das will einiges heißen. Schließlich beschlossen wir, auf das zu setzen, was wir auf unserer Seite hatten: das Überraschungsmoment und das Druckmittel, an die Öffentlichkeit zu gehen, ehe die Seuchenschutzbehörde ihre Version der Geschichte verbreiten konnte.
Je weiter wir uns von Maggies Haus entfernten, desto dümmer kam uns unser notdürftiger Plan vor … und desto deutlicher wurde uns, dass es keinen anderen Weg gab. Wenn die Korruption bis ans Ende der Welt reicht, dann bleibt einem nur der Weg durch den Haupteingang, mit Pistolen in beiden Händen. Niemand würde uns helfen, wenn wir uns mit dem Seuchenschutz anlegten. Wir verfügten weder über genug Mittel noch über das nötige Ansehen, insbesondere, solange das Weiße Haus Funkstille wahrte. Das bedeutete, dass wir uns ganz auf unsere Stärken verlassen mussten, und die bestanden in unserer lebenslangen Erfahrung darin, der Gefahr ein Mikrofon vors Gesicht zu halten und eine Erklärung zu verlangen. Das musste genügen.
Am Abend bevor wir Memphis erreichten, machten wir in Arkansas in einem heruntergekommenen Motel in Little Rock halt. Dort nahm man Bargeld und schaute sich unsere Ausweise nicht allzu genau an. Egal, wie weit sich die Technik entwickelt, es wird immer Schlupfwinkel für Menschen geben, die nicht auffallen wollen. Dies hier war einer davon. Der Mann hinterm Tresen wusste nicht, wer wir waren, besser noch: Er wollte es überhaupt nicht wissen. Becks und ich checkten zusammen ein und ließen Mahir und Kelly im Wagen warten, bis alle nötigen Transaktionen erledigt waren. Der Mann wirkte desinteressiert. Trotzdem war er ein Bürger des heutigen Amerikas, was bedeutete, dass er Kellys Gesicht vielleicht in den Nachrichten gesehen hatte und sich wundern mochte, warum sich eine tote Frau mit derart verdächtigen Typen wie mir und Becks in Arkansas herumtrieb.
Nach etwa zwei Tagen Fahrt über leere Highways, in denen wir nur in Raststätten gegessen hatten, rochen wir nach dieser seltsamen Mischung aus alten Maischips, Schweiß und ungewaschenen Haaren und Ärschen, die irgendwie immer entsteht, wenn man ein paar Hundert Kilometer am Stück fährt. Wir hatten zwei Zimmer, was bedeutete, dass zwei von uns gleichzeitig duschen konnten, nachdem alle vier von uns den Bluttest abgelegt hatten, um sie betreten zu dürfen.
Obwohl je ein Zimmer für die Männer und für die Frauen vorgesehen war, schafften Becks und Kelly es beide, sich als Erste eine Dusche unter den Nagel zu reißen. Es war wie ein Zaubertrick. Ich fragte: »Will wer duschen?«, und plötzlich waren sie weg, und das Rauschen von Wasser erklang.
Mahir und ich ließen uns in dem Zimmer nieder, in dessen Bad Kelly duschte, nur zur Sicherheit. Wir waren zu nah am Ziel, um sie allein zu lassen. Die Sicherheitssysteme des Motels ließen sich leicht austricksen, und ich hätte ihr nicht mal zugetraut, sich den Weg aus einer Papiertüte freizuschießen, wenn irgendetwas passierte, während niemand über sie wachte.
Ich setzte mich auf die Kante eines der beiden riesigen Betten und rieb mir mit einer Hand durchs Gesicht, als könnte ich so die Erschöpfung wegwischen. Wie immer half es nicht. »Also, der Doc sagt, dass die meisten Leute um neun anfangen zu arbeiten. Die Putzkräfte treffen um sieben ein. Das gibt uns zwei Stunden, um eines der besten Sicherheitssysteme der Welt auszutricksen, reinzukommen, ohne durch einen Bluttest unsere Anwesenheit zu verraten, und es in Dr. Wynnes Labor zu schaffen.«
»Korrekt«, antwortete Mahir. Paradoxerweise wirkte er weniger müde als bei seiner Ankunft in Weed. Der Mistkerl. Es war mir nicht gelungen, im Wagen richtig zu schlafen – zu viele Jahre der Ausbildung hatten mir ständige Wachsamkeit im Feld eingetrichtert – , während er sich jedes Mal einfach wie
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