Deadline - Toedliche Wahrheit
amerikanische Highway-System an die tägliche Zombie-Gefahr angepasst hatte. Dort, wo Überschwemmungen drohten, waren die Straßen leicht erhöht, und man hatte die Abflussrinnen und -rohre verbessert. Es brauchte schon eine Flut biblischen Ausmaßes, um eine der größeren Straßen wie die, auf der wir unterwegs waren, zu überspülen. Sollte es ruhig schütten wie aus Kübeln. Wir würden es trotzdem nach Hause schaffen.
In einer Hinsicht hatte Becks recht: Die Straßen waren verlassen. Während wir durch Nevada brausten, sah ich niemanden sonst. Am meisten beunruhigte mich, dass es nicht einmal Polizeistreifen gab. Die Kontrollstellen waren unbemannt und führten ihre Bluttests automatisch durch. Ich rechnete damit, dass nach dem Regen auch wieder Autos auftauchen würden, aber nichts dergleichen geschah. Unsere Fahrt über eine leere, sonnenbeschienene Straße war sogar noch verstörender als eine Fahrt durch die Dunkelheit. Vorher hatte ich es wenigstens auf die tief hängenden Gewitterwolken schieben können, dass Amerika mit einem Mal verlassen zu sein schien.
Im Radio kam größtenteils Rauschen, mit Ausnahme einiger weniger Stationen, die vorprogrammierte Sendelisten ausstrahlten, und solange ich als Einziger wach war, konnte ich das GPS nicht wieder einschalten. Ich versuchte es weiter mit dem Telefon, aber alle Leitungen waren besetzt. Daran änderte sich auch nichts, als wir über die Grenze nach Kalifornien kamen. Kurz darauf wachte Mahir auf, kletterte auf die Mittelbank und fragte verschlafen: »Wo sind wir?«
»In Kalifornien, und demnächst müssen wir zum Tanken halten. Becks hat Donuts geholt. Schmecken scheiße, sind aber essbar. Hinter mir in der Tasche.«
»Danke!« Mahir fischte eine Schachtel mit Donuts aus der Tüte, die mit etwas bestreut waren, bei dem es sich angeblich um Puderzucker handelte. Ich hätte nicht darauf wetten wollen, worum es sich bei dem Überzug wirklich handelte. Ebenso wenig wollte ich mir etwas von dem Zeug in den Mund stecken. Mahir hatte keine derartigen Bedenken. Ein paar Minuten vergingen in relativer Stille, bevor er, den Mund voll Donutteig, fragte: »Ie eit och?«
»Sprich nicht mit vollem Mund, Mann! Das ist eklig. Wir haben noch etwa fünf Stunden vor uns. Weiter vorne kommt eine Raststätte. Ich tanke auf, während du das GPS wieder in Gang bringst, alles klar?«
Er schluckte und nickte. »Wunderbar.«
»Gut.«
Ich wollte es nicht zugeben, aber ich hatte Angst gehabt zu halten, während die beiden anderen schliefen. Etwas an der Welt da draußen war einfach zu unheimlich, und tief in meinem Innern wusste ich, dass ich niemals zurückkehren würde, wenn ich alleine in diese Leere hinaustrat.
Die Raststätte wirkte diesem Gefühl kein bisschen entgegen. Das Restaurant war geschlossen, die Metalljalousien vor den Fenstern heruntergelassen. Nirgendwo waren andere Fahrzeuge zu sehen. Ich hatte beim Tanken die ganze Zeit die Hand an der Waffe, und ich verlor keine Zeit damit, die Fenster zu putzen oder unter die Motorhaube zu schauen. Etwas an der ganzen Sache versetzte mich in äußerste Anspannung, und wenn man länger als ein paar Monate aktiv als Irwin arbeitet, dann lernt man, der leisen Stimme in seinem Hinterkopf zu vertrauen, wenn sie einem sagt, dass man lieber verduften sollte.
Das ist nicht gut , sagte George.
»Da hast du recht«, brummte ich und stieg wieder ein. »Mahir, wie sieht’s mit dem GPS aus?«
»Kein Glück. Alle örtlichen Netzwerke sind entweder gesperrt oder offline. Ich fürchte, wir sind für den Rest des Heimwegs blind.«
»Schließlich muss dieser Tag unbedingt noch schlimmer werden.« Ich steckte den Schlüssel ins Zündschloss. Der Wagen ließ sich problemlos anlassen – Gott sei Dank, eine Panne war das Letzte, womit wir uns jetzt hätten herumschlagen wollen – , und wir kehrten auf die Straße zurück.
Eine Stunde vor Sonnenuntergang standen wir an Maggies Auffahrt. Becks fuhr, und ich saß auf dem Beifahrersitz, während Mahir hinten unermüdlich auf seinem Laptop tippte. Er war schon seit vier Stunden am Schreiben und hielt wie ein typischer Newsie alles fest, was wir sahen und hörten. Es war ein tröstliches Geräusch. George hatte immer dasselbe getan, damals, als sie noch Finger gehabt hatte.
Die ersten beiden Tore erkannten uns erwartungsgemäß und öffneten sich, um uns durchzulassen. »Sieht aus, als ob wir zu Hause und in Sicherheit wären«, sagte Becks. »Noch ein kleines Stück und … heilige
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