Deadline - Toedliche Wahrheit
wie ich selbst.«
»Was ist passiert?«
»Ich bin auf das Vassar College gegangen, so eine Geisteswissenschaftler- und Künstler-Uni. Als Hauptfach hatte ich Englisch und als Nebenfach amerikanische Geschichte. Irgendwann habe ich angefangen, mich dafür zu interessieren, wie sich dieses Land verändert hat, und dann ist mir klar geworden, dass ich eigentlich ins Nachrichtengeschäft wollte.« Becks wurde langsamer und machte einen Schlenker um einen herabgefallenen Ast, der die halbe Straße blockierte. »Also habe ich meinen Eltern gesagt, dass ich Politik an der New York University studieren wolle, gewechselt und meinen Abschluss in Film gemacht, mit Journalismus als Nebenfach. Als meine Eltern rausfanden, was ich dort in echt getrieben habe, haben sie mich selbstverständlich enterbt.«
»Selbstverständlich«, wiederholte ich ungläubig.
Becks fuhr fort, als hätte ich überhaupt nichts gesagt. Vielleicht war das auch besser so. »Nach etwa acht Monaten freiberuflicher Arbeit habe ich die Stellenausschreibung für die Nachrichtenabteilung eurer Website gesehen. Zu der Zeit machte ich Action-Nachrichten und Infos … ich machte alles, außer Geld für meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich wohnte in einer Einzimmerwohnung in Jersey City und aß zu jeder Mahlzeit Sojanudeln. Beinahe wäre ich zum Wohlfahrtsdienst gegangen. Und dann habe ich den Job gekriegt.«
»George war echt begeistert von deiner Bewerbung«, sagte ich.
»Danke!« Becks lächelte leicht. »Ich wusste schon nach meiner zweiten Pressekonferenz, dass die Newsies nichts für mich waren. Ich hätte die Leute am liebsten so lange geohrfeigt, bis sie ihre Ärsche in Bewegung setzten und etwas unternähmen . Also habe ich versucht, das Fach zu wechseln. Ich wollte nur … ich weiß nicht. Ich glaube, ich wollte zur Abwechslung mal meinen Spaß haben. Ich wollte leben, bevor ich sterbe.«
»Cool.« Ich trank meine Cola in einem Zug aus, wischte mir mit dem Handrücken über den Mund und warf die Flasche nach hinten. »Danke, dass du es mir erzählt hast! Ich bin jetzt bereit zu übernehmen, wenn du rechts ranfährst.«
»Tja, wir sind wohl über den Punkt hinaus, an dem man Geheimnisse voreinander hat, was?« Becks wurde langsamer. »Was mich an etwas erinnert. Was ist das für eine Bombe, die Alaric hochgehen lassen soll?«
Ich verzog das Gesicht.
Sie warf mir einen stechenden Blick zu, während sie am Straßenrand hielt. »He, ich habe deine Frage auch beantwortet!«
»Ich weiß, ich weiß. Ich will ja auch antworten. Es ist bloß kompliziert.« Ich löste meinen Sicherheitsgurt und schob mich zwischen den Sitzen hindurch, sodass Becks genug Platz hatte, um in den Beifahrersitz zu klettern. »Also. Du weißt, wie die Lage mit den Masons ist, oder? Dass sie George und mich adoptiert haben, nachdem ihr leiblicher Sohn während des Erwachens ums Leben gekommen ist?«
»Ich habe Georgias Essay zum Thema Adoptionen gelesen«, sagte Becks zurückhaltend, während sie sich auf dem Sitz niederließ, den ich soeben frei gemacht hatte.
»Ja. Also, nachdem sie gestorben ist, haben sie versucht, mir ihr Material wegzunehmen. Wir haben uns sogar vor Gericht um ihren Nachlass gestritten. Sie haben verloren. George hatte ein hieb- und stichfestes Testament. Aber glücklich waren sie darüber nicht.«
»Die Bombe geht also … «
»An die Masons.« Ich schnallte mich an und stellte den Sitz neu ein, bevor ich die Hände ums Steuer schloss. »Wenn einer dieser beiden Quotenjäger sich einmischt, dann wird die Geschichte nie wieder begraben. Zum Teufel, vielleicht haben wir Glück, und es trifft sie, falls noch jemand sterben muss.«
»Es ist ziemlich schrecklich, so etwas über seine Eltern zu sagen.«
»Wenn sie meine Eltern wären, dann hätte ich vielleicht ein schlechtes Gewissen.« Ich schaute zu Becks. »Schlaf ein bisschen! Von hier an bringe ich uns nach Hause.«
Sie nickte, und ein Ausdruck, den ich nicht zu deuten vermochte, erschien auf ihrem Gesicht. Vielleicht handelte es sich um Verständnis. Schlimmer noch, möglicherweise handelte es sich um Mitleid. »In Ordnung.«
Ohne sie noch einmal anzuschauen, fuhr ich wieder auf den Highway. Der Asphalt war vom Regen rutschig, aber es regnete bereits so lange, dass der Großteil des Öls weggespült war, und die Art, in der man die Straße angelegt hatte, wirkte sich zu unserem Vorteil aus. Seit dem Erwachen war die Arbeit bei der Straßenwartung sehr viel gefährlicher, weshalb man das
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