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Deadlock

Deadlock

Titel: Deadlock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Schnulze, verdammt noch mal!«
    Bemis kam an den Tisch. »Ich kann ja verstehen, dass Sie überreizt sind. Aber ich glaube, Sie bauschen eine Reihe bedauernswerter Unglücksfälle zu einer Verschwörung auf, und ich habe etwas dagegen, dass Sie dabei Unruhe stiften.« Das Blut pochte mir in den Schläfen, mir lagen wüste Drohungen auf der Zunge, aber ich beherrschte mich. »In Ordnung«, sagte ich mit gepresster Stimme, »ich werde keine Unruhe auf Ihr Schiff bringen. Trotzdem hätte ich ganz gern den Chefingenieur gesprochen.«
    Bemis nickte in Winsteins Richtung. »Besorgen Sie der Dame einen Schutzhelm.« Er wandte sich wieder an mich. »Den Chefingenieur können Sie befragen. Aber ich möchte nicht, dass Sie mit irgendjemandem von der Besatzung reden, außer in meiner Gegenwart oder in Gegenwart des Ersten Offiziers. Er wird dem Zweiten Offizier entsprechende Anweisungen geben.«
    »Vielen Dank«, sagte ich steif. Ich schaute missmutig durch die Rückfenster der Brücke. Im Schein der untergehenden Sonne lag die Küste da wie ein purpurner Keil. Ein paar Eisbrocken schwammen im Wasser. Der Winter dauerte hier sehr lange.
    Tolle Arbeit hatte ich bis jetzt geleistet, wirklich! Ich wusste nicht mehr, als ich schon vor drei Wochen gewusst hatte, nur war ich jetzt über die Ladevorgänge hervorragend informiert. Im Geiste hörte ich, wie mich meine Mutter wegen meines Selbstmitleids ausschalt. »Alles, bloß das nicht, Victoria. Dann setz dich schon lieber in die Nesseln, aber steh nicht händeringend rum.« Sie hatte ja Recht. Ich war einfach nur erschöpft als Nachwirkung meines Unfalls. Doch das wiederum wäre in Gabriellas Augen zwar ein Grund, aber keineswegs eine Entschuldigung; für Trübsalblasen gab es überhaupt keine. Ich riss mich zusammen. Der Erste Offizier, der mich begleiten sollte, stand wartend bereit. Dicht hinter ihm stieg ich die enge Treppe hinab. Er reichte mir einen Schutzhelm, an dessen Stirnseite in verwaschenen schwarzen Lettern sein Name stand; solange ich mich an Bord aufhielte, könne ich ihn gern tragen. »Sie haben doch vor, mit dem Chefingenieur zu reden. Warum warten Sie nicht bis zum Abendessen? Der Chefingenieur isst am Tisch des Kapitäns. Bei dem Krach im Maschinenraum versteht man sowieso kaum sein eigenes Wort.« Ich sah ihn missmutig an und überlegte, ob er mich bloß von Sheridan fern halten wollte, damit ihm Bledsoe inzwischen seine Version der Geschichte auftischen konnte.
    »Wo ist denn der Speiseraum des Kapitäns?«, fragte ich ihn. Winstein führte mich zu einem kleinen, nüchternen Zimmer auf dem Hauptdeck. Vor den Bullaugen hingen geblümte Vorhänge, und ein riesiges Foto vom Stapellauf der »Lucella« zierte die vordere Wand. Nebenan befand sich die Mannschaftsmesse. Beide Speiseräume wurden von der gleichen Kombüse aus beliefert, aber der Kapitän wurde von den Köchen bedient, während die Mannschaft wie in einer Cafeteria sich selbst das Essen holte. Das Abendessen würde zwischen halb sechs und halb acht serviert, erklärte mir Winstein. Frühstück konnte ich morgens zwischen sechs und acht bekommen. Winstein empfahl sich und ging wieder zur Brücke. Als er außer Sichtweite war, stieg ich in den Maschinenraum hinab. Von meinem ersten Besuch her kannte ich den Weg. Es ging durch einen Wirtschaftsraum mit Waschmaschine und Wäschetrockner, und von dort aus führte eine mit Linoleum belegte Treppe in Sheridans Reich.
    Was den Lärm betraf, so hatte Winstein Recht gehabt; er war kaum zu ertragen. Mein ganzer Körper vibrierte. Ein junger Mann in schmierigem Overall stand in einer Art Pförtnerloge vor dem eigentlichen Maschinenraum. Ich musste brüllen, um mich verständlich zu machen; erst nach mehreren Anläufen verstand er meine Frage und sagte mir, wo ich den Chefingenieur finden könne - auf dem zweiten Zwischendeck, wo er irgendetwas inspizierte. Was, verstand ich nicht. Dazu reichte meine technische Begabung wieder einmal nicht aus. Ohne ihn nochmals zu fragen, kletterte ich nach unten. Nach langem Suchen erspähte ich ein paar behelmte Gestalten hinter einem Gewirr von Rohren. Einer von ihnen war Chefingenieur Sheridan, der andere ein junger Bursche, den ich noch nicht gesehen hatte. Ich wusste nicht recht, ob ich erleichtert oder enttäuscht darüber sein sollte, dass Bledsoe nicht dabei war. Meine Recherchen wären dann in eine ganz bestimmte Richtung gelenkt worden, wenn die beiden offenkundig unter einer Decke gesteckt hätten.
    Der Chefingenieur

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