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Deadlock

Deadlock

Titel: Deadlock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Sheridan sprechen. Ich fliege schließlich nicht auf Verdacht hier in der Gegend herum, damit ich sie irgendwo zufällig treffe.«
    »Ich habe darüber ja nicht zu bestimmen«, sagte Winstein friedfertig. »Sprechen Sie mit dem Kapitän.« Er wandte sich wieder seinen Unterlagen zu, und ich empfahl mich.

16
    Blinder Passagier
    Während ich zum Holiday Inn zurückfuhr, trällerte ich »Fährt ein weißes Schiff nach Hongkong« und das Lied von den Wilden Piraten vor mich hin. Ich packte meine Sachen und gab mein Zimmer auf; die Wagenschlüssel hinterlegte ich -mit einer entsprechenden Erklärung - an der Rezeption. Es war dreizehn Uhr. Da die »Lucella« ohnehin nicht vor fünf Uhr nachmittags ablegte, konnte ich ruhig etwas essen gehen.
    Bis ich meine Mahlzeit beendet und ein Taxi aufgetrieben hatte, war es kurz nach halb vier. Die Mittagssonne hatte die Luft erwärmt, sodass ich meinen Pullover ausziehen konnte. Wieder kletterte ich zum Hauptdeck hinauf. Sie waren gerade mit dem Beladen fertig.
    Plötzlich begann das Schiff zu vibrieren: Die Maschinen liefen. Ihr geschäftiges Stampfen erfüllte die Luft, und aus dem riesigen Schornstein stieg eine dünne Säule schwarzen Dieselqualms. Mehrere Matrosen standen bereit, um die Trossen auf ein Signal hin zu lösen. Ich war keine Minute zu früh gekommen. Ich war nervös. Einerseits war mir klar, dass ich hier auf Deck meine Zeit vertrödelte und ich längst auf der Brücke hätte sein müssen, um jeden Rückkehrer sofort ins Gebet zu nehmen; andererseits wusste ich nicht so recht, wie. In meiner überdrehten Stimmung bildete ich mir ein, einen Punkt von Backbord wegschwimmen zu sehen. Ich lief aufs Vorschiff, konnte aber auch von hier aus nichts erkennen. Angestrengt starrte ich auf die glitzernde Wasseroberfläche, als plötzlich in zwanzig Meter Entfernung, nahe am Ufer, eine Gestalt aus den Wellen tauchte.
    Als ich mich umwandte, kam Bledsoe gerade an Deck. Er sprach kurz mit dem Zweiten Offizier und ging dann in Richtung Brücke, ohne mich bemerkt zu haben. Ich ließ ihn laufen; es schien mir vernünftiger, mich bis nach dem Ablegemanöver verborgen zu halten. Um unentdeckt zu bleiben, verzog ich mich hinter die Brücke, wo riesige Ölfässer zur Müllaufnahme bereitstanden; dahinter konnte ich mich gut verstecken. Ich ließ mich auf einem Metallkasten nieder, stellte meine Reisetasche in ein zusammengerolltes Tau, lehnte mich zurück und genoss die Aussicht.
    Ich hatte ganz vergessen, dass ich jemanden hatte im Wasser schwimmen sehen -doch nun sah ich die Gestalt wieder. In etwa fünfzig Meter Entfernung, jenseits der Silos, stieg sie an Land und verschwand hinter einer Baumgruppe. Es dauerte noch drei Viertelstunden, bis sich die »Lucella« nach zweimaligem dumpfem Tuten langsam von der Kaimauer entfernte. Zu meinen Füßen taten sich im Kielwasser hinter den riesigen Schiffsschrauben zwei graugrüne Wellentäler auf. Die Distanz zum Kai vergrößerte sich rasch; man hatte gar nicht den Eindruck, dass das Schiff fuhr, die Küste schien vor uns zurückzuweichen. Ich gab mir noch zehn Minuten. Dann würde wohl keiner mehr auf die Idee kommen, zu wenden und mich hinauszuwerfen.
    Ich ließ meine Tasche in der Taurolle liegen und ging zur Brücke. Unterwegs entsicherte ich den Revolver - schließlich musste ich auf alles gefasst sein! Hin und wieder begegnete ich Besatzungsmitgliedern, die mich neugierig musterten, jedoch an meiner Aufenthaltsberechtigung an Bord nicht zweifelten. Mit klopfendem Herzen öffnete ich die Tür zu der engen Holztreppe, die auf die Brücke führte.
    Stimmen drangen an mein Ohr. Ich platzte in eine geschäftige Szene: Während Winstein am Kartentisch in seine Seekarten vertieft war, erteilte Kapitän Bemis einem stämmigen Rothaarigen am Steuerruder Anweisungen. »Auf Höhe der zweiten Insel backbord«, sagte er. »Auf Höhe der zweiten Insel backbord«, wiederholte der Rudergänger und drehte das Steuerruder leicht nach links. Weder die beiden noch Bledsoe nahmen Notiz von mir. Nur Winstein blickte von seinen Seekarten auf. »Da ist sie ja«, sagte er ruhig.
    Der Kapitän drehte sich um. »Ah, Miss Warshawski. Der Erste Offizier hat Sie schon angekündigt.«
    »Genau genommen sind Sie ein blinder Passagier, Vic.« Bledsoe lächelte andeutungsweise. »Wir könnten Sie in den Frachtraum sperren, bis wir in Sault Ste. Marie anlegen.«
    Ich setzte mich an den runden Tisch. Die Nervenanspannung hatte sich gelegt. »Ich habe nur unzureichende

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