Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Deadlock

Deadlock

Titel: Deadlock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
Vom Netzwerk:
erklärte sie und ging hinüber ins Schlafzimmer.
    Ich überlegte, wie ich an meine Arbeit herangehen sollte. Paige hatte Recht: Champ hatte einfach alles aufgehoben. Jeder Quadratzentimeter Wandfläche war mit Fotos von seiner Eishockeykarriere bedeckt, angefangen bei der Schulmannschaft der zweiten Klasse. Mitten darunter entdeckte ich ein Foto von mir im kastanienbraunen Talar bei der Verleihung meines Juradiploms an der Universität von Chicago. Die Sonne schien, und ich grinste in die Kamera. Da mein Vetter nie ein College besucht hatte, war er über alle Maßen stolz auf meine akademische Ausbildung. Stirnrunzelnd betrachtete ich die jüngere, glückstrahlende V.I. Warshawski, bevor ich zu Paige ins Schlafzimmer ging, um ihr meine Hilfe anzubieten.
    Der Koffer mit den sauber gefalteten Kleidungsstücken stand offen auf dem Bett. Als ich eintrat, zog sie gerade aus einer Kommodenschublade einen leuchtend roten Pullover hervor.
    »Sehen Sie auch seine Kleidung und die übrigen Sachen durch? Geben Sie mir doch bitte Bescheid, falls ich etwas vergessen habe. Alles in Größe sechs gehört vermutlich mir.« Daraufhin nahm sie sich das Bad vor. Ich hörte, wie sie Schränkchen öffnete.
    Dem Schlafzimmer sah man an, dass hier ein Mann gewohnt hatte, aber es war gemütlich. Ein riesiges Bett mit schwarz-weißem Bettüberwurf beherrschte die Zimmermitte, die schweren bodenlangen cremefarbenen Vorhänge waren zurückgezogen und gaben den Blick auf den See frei. Über der wuchtigen Kommode aus Walnussholz hing Champs Eishockeyschläger. Ein Gemälde in Lila- und Rottönen brachte Farbe ins Zimmer. Auf Spiegel, die nach Ansicht zahlreicher Junggesellen unbedingt in eine Wohnung gehören, hatte er verzichtet. Auf dem Nachttisch lagen ein paar Zeitschriften. Was wohl mein Vetter vor dem Einschlafen so gelesen hatte? Die »Sportillustrierte«, die »Hockey-Welt« sowie eine eng bedruckte Schrift mit dem Titel »Getreide-Nachrichten«. Das machte mich neugierig. Das Blatt erschien in Kansas City und enthielt eine Unmenge detaillierter Informationen über Ernteerträge, Notierungen an verschiedenen Getreidebörsen, Frachtkosten zu Lande und zu Wasser, Abschlüsse mit diversen Transportunternehmen. Äußerst informativ, falls man sich für Getreide interessierte. »Ist das irgendetwas von Bedeutung?«
    Ich war so in die Lektüre vertieft gewesen, dass ich gar nicht bemerkt hatte, wie Paige ins Zimmer gekommen war. Nach kurzem Zögern sagte ich: »Ich habe mir den Kopf darüber zerbrochen, ob Champ sich womöglich absichtlich vor die Schiffsschraube gestürzt hat. Dieses Ding hier«, ich hielt ihr das Blatt hin, »dieses Ding enthält alles Wissenswerte über Getreide und Frachtverkehr. Es erscheint offenbar zwei Mal monatlich und während der Erntezeit wöchentlich. Wenn Champ sich bei der Eudora so stark engagiert hatte, dass er sogar eine Fachzeitschrift las, dann bin ich in gewisser Weise beruhigt.« Paige sah mich aufmerksam an. Sie nahm mir die »Getreide-Nachrichten« aus der Hand und blätterte sie durch. Auf die Seiten starrend, bemerkte sie: »Es ging ihm sehr nahe, dass er nicht mehr spielen konnte - mir wäre bestimmt auch nicht anders zu Mute, wenn ich nicht mehr tanzen könnte, obwohl ich als Tänzerin lange nicht so gut bin wie er als Eishockeystar. Doch ich glaube, dass ihm seine Beziehung zu mir über die schlimmsten Depressionen hinweggeholfen hat. Hoffentlich sind Sie deswegen nicht gekränkt.« »Ganz und gar nicht. Es würde mich freuen, wenn es so wäre.« Ihre zart nachgezogenen Brauen hoben sich. »Wenn es so wäre? Was meinen Sie damit? Könnten Sie mir das bitte erklären?«
    »Da gibt es nichts zu erklären, Paige. Ich hatte Champ seit Januar nicht gesehen. Damals kämpfte er noch gegen seine Zustände an. Sollte ihm Ihre Beziehung dabei geholfen haben, so wäre ich sehr froh ... Bei der Beerdigung munkelte man, er sei bei seiner Firma in Schwierigkeiten geraten. Angeblich hat er irgendwelche Unterlagen gestohlen. Hat er Ihnen gegenüber etwas davon erwähnt?« Die honigfarbenen Augen wurden groß und rund. »Nein. Kein Wort. Wenn es wirklich Gerüchte gab, dann hat er sich bestimmt nicht darüber aufgeregt, sonst hätte er wohl darüber gesprochen. Wir waren noch einen Tag vor seinem Tod zusammen essen. Außerdem hätte ich es sowieso nicht geglaubt.« »Wissen Sie, worüber er mit mir reden wollte?«
    Sie blickte überrascht auf. »Hat er versucht, Sie zu erreichen?« »Er hinterließ eine dringende

Weitere Kostenlose Bücher