Deadwood - Dexter, P: Deadwood
Schwarzmalern nicht nehmen, und davon abhalten lassen wir uns auch nicht.« Dann waren es also die Kritiker, nun gut. Als er fertig war, kamen die Cancan-Tänzerinnen auf die Bühne. Charley warf einen vorsichtigen Blick zur Seite und sah, dass der Flaschenfreund gebannt und mit offenem Mund dasaß.
Mrs. Langrishe rührte sich im Dunkeln, und er dachte, sie wollte wieder mit ihm tuscheln. Als er sich dann aber zu ihr beugte, fiel ihre Hand auf sein Bein und fand dort ein gemütliches Plätzchen, wo sie sich anschmiegen konnte.
Während der Vorführung der Cancan-Tänzerinnen ließ sie ihre Hand dort liegen und auch, als ihr Mann Handsome Banjo Dick Brown ankündigte. Charley fand es irgendwie elegant, so wie sie da lag, so leicht und anmutig und still, während sein Pimmel sich bewegte und ihr Ehemann oben auf der Bühne Vorträge hielt.
Sie ließ sie während Handsome Dicks erster Nummer dort liegen – »The Days of Forty-Nine« – und auch während der zweiten. Sie ließ sie dort liegen, bis unmittelbar vor ihnen ein rothaariger Farmer aufstand, »Ich will meine Fannie zurück« brüllte und dann eine Axt dicht an Handsome Banjo Dick Browns linkem Ohr vorbeisausen ließ.
Handsome Dick sang zu diesem Zeitpunkt »Oh, Susanna«. Er stand von seinem Schemel auf, zog aus den Tiefen seiner Jacke eine Pistole und jagte fünf Schüsse in den Zuschauerraum.
Wie sich herausstellte, hieß der rothaarige Mann Ed Shaughnessy, und er hatte mit Fannie Garrettson sechs Wochen auf einer Farm außerhalb von Cheyenne gelebt, bevor Handsome Dick sie eines Abends in der Stadt entdeckte und mit nach Deadwood nahm. Als Ed Shaughnessy aufstand und die Axt warf, war Charleys erster Gedanke, dass selbst der Schwachkopf bessere Umgangsformen besaß.
Dann sah Charley, dass bereits der erste Schuss getroffen hatte. Die Kugel war genau unter der Augenbraue des Farmers eingedrungen. Der rothaarige Mann sackte auf seinem Sitzplatz zusammen, während Handsome Dick ihm, sorgfältig zielend, vier weitere Kugeln in die Brust jagte. Handsome brüstete sich damit, nie etwas schuldig zu bleiben.
Das Geschrei setzte nicht sofort ein – im Theater weiß niemand so genau, was echt ist –, aber dann hörten die Damen, wie die Kugeln in Ed Shaughnessys Körper einschlugen, und da verstanden sie es.
Beim ersten Schuss gab Mrs. Langrishe den gleichen Laut von sich wie in dem Moment, als der Flaschenfreund durch das Fenster gestürzt war, und bei jedem folgenden Schuss wiederholte sie dies. Charley wollte aufstehen, um sie zu schützen, aber das war nicht nötig. Handsome Dick war ein Scharfschütze. So, wie er die Waffe hielt, vermutete Charley, dass er das Schießen irgendwo im Süden gelernt hatte.
Mrs. Langrishes Hand – die bislang auf Charleys Bein gelegen hatte – fuhr an ihre Kehle. Die Haut dort sah glatt aus und weich und lenkte Charleys Aufmerksamkeit für einen Moment ab, sogar noch, als die Schüsse in der Luft nachhallten. Dann erinnerte Charley sich an den Flaschenfreund, aber als er sich zu ihm umwandte, saß der einfach nur regungslos da. Sein Mund stand knapp zwei Zentimeter offen, und er schien kaum zu atmen. Der Schwachkopf sah aus wie ein verängstigtes Karnickel im hohen Gras.
Handsome Dick feuerte seinen fünften Schuss ab, setzte sich dann wieder auf seinen Schemel und nahm das Banjo zur Hand. Als später in der
Times
und dem
Pioneer
über den Zwischenfall berichtet wurde – der
Pioneer
brachte außerdem einen Brief von Fannie Garrettson, in dem sie betonte, nicht mit Ed Shaughnessy verheiratet gewesen zu sein, weswegen auch nichts Schlimmes daran war, mit Handsome Banjo Dick Brown durchzubrennen –, stellte man es als Heldentat dar, dass er sein Banjo wieder in die Hand nahm und »Oh, Susanna« zu Ende spielte.
Charley fand nicht, dass es einem Mann gut stand, einen anderen Mann umzubringen und dem dann keine weitere Bedeutung beizumessen.
Als Charley wieder zu ihr blickte, hatte Mrs. Langrishe die Hände vors Gesicht geschlagen. Ed Shaughnessys Körper war vom Stuhl gerutscht und lag nun auf dem Boden, mit den Augen zur Decke. Charley bekam Mitleid mit ihm, als er seine Farmerkleidung ansah und an die schwere Arbeit dachte, die er täglich verrichtet haben musste.
Er wollte Mrs. Langrishe schon auf die Schulter tätscheln, doch sie entzog sich ihm und verließ das Theater. Charley sah nach dem Flaschenfreund. Dessen Blick wanderte immer noch von der Bühne zu dem Mann auf dem Boden und dann wieder zurück zur
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