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Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Titel: Deadwood - Dexter, P: Deadwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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eine frische Flasche, die er in einer Zeltbar erstanden hatte. Der Flaschenfreund lehnte dankend ab. »Schlimme Sachen sind passiert«, sagte er. »Einige davon sind nicht erfunden.«
    Charley begleitete ihn nach Hause, zu einer kleinen Blockhütte auf der Südseite der Stadt. »Ich will nicht nach Hause«, sagte der Schwachkopf, als sie dort ankamen.
    »Du bist schon zu Hause«, antwortete Charley. Er dachte jetzt an Lurline, aber der Flaschenfreund pflanzte seine Füße in den Matsch und weigerte sich, auch nur einen Schritt weiter zu gehen.
    »Sie kommen mit rein«, sagte er.
    »Ich hab heute Abend noch was vor«, entgegnete Charley.
    Der Flaschenfreund lachte, zumindest klang es wie ein Lachen. Es klang wie die Stimme in Charleys Kopf, und das war so etwas wie ein Lachen. »Sie werden doch jeden Abend gebissen«, sagte er.
    »Nicht direkt gebissen«, erwiderte Charley, und das war die Wahrheit. Es war jetzt mehr als das.
    »Kommen Sie mit, und Sie können sich meine Flaschen ansehen«, sagte der Flaschenfreund. Charley nahm einen Schluck Whiskey und folgte ihm hinein. Er hatte sich schon gefragt, wie all diese Flaschen zusammen wohl aussehen mochten. Der Flaschenfreund hatte keine Lampe, und so standen sie zusammen im Dunkeln, während Charley auf der Suche nach einem Streichholz seine Taschen abklopfte.
    »Sie können sie nicht direkt sehen«, sagte der Flaschenfreund.
    Charley fand seine Streichhölzer und riss eines an der Wand hinter sich an. »Eines Tages wird diese Bude hier abbrennen«, meinte der Schwachkopf.
    »Du hast keine eigenen Streichhölzer?« fragte Charley. Der Raum war flach und breit. In der Ecke lag ein Schlafsack, und der Boden war mit alten Zeitungen bedeckt.
    »Ich habe überhaupt keine Streichhölzer«, sagte er. »Es wird nicht mein Feuer sein.«
    Charley hielt das Streichholz hoch über seinen Kopf und vergaß es dort, bis er sich die Finger verbrannte. »Nette Hütte«, sagte er.
    Beim nächsten Streichholz, das er anzündete, sah er, dass der Schwachkopf ihn anlächelte. »Ich hab sie versteckt«, sagte er. Charley führte die Flasche wieder an seinen Mund und achtete darauf, der Flamme dabei nicht zu nahe zu kommen. Der Schwachkopf durchquerte den Raum, griff nach oben und hängte ein Stück Segeltuch aus.
    Der Flaschenfreund trat zur Seite, zog dabei das Segeltuch hinter sich her, und dann wurde das Licht von Charleys Streichholz tausendfach zurückgeworfen.
    Er machte einen Schritt vorwärts, doch der Flaschenfreund hielt ihn zurück. »Nicht zu nahe kommen«, sagte er. »Die fallen sonst alle runter …«
    Charley rührte sich nicht und betrachtete die Flaschen. Der Haufen war gut einen Meter hoch und reichte von einer Wand zur anderen. »Das müssen tausend Stück sein«, sagte er.
    »Eintausendsiebenhundertvierzig«, sagte der Schwachkopf. Charley schaute ihn an und erkannte, dass er die Wahrheit sagte. Der Flaschenfreund kannte gar nichts anderes als die Wahrheit.
    Die Flaschen lagen kreuz und quer übereinander, in keiner besonderen Ordnung oder Reihenfolge. An manchen Stellen ragten die Hälse aus dem Haufen, an anderen die Böden. Die Flaschen ruhten unter ihrem eigenen Gewicht, und das Gleichgewicht schien prekär zu sein. Man konnte an keiner Stelle eine Flasche herausziehen, ohne dass alles zusammenfiel.
    »Wie behältst du den Überblick über die Anzahl der Flaschen?« fragte er.
    Der Flaschenfreund sah ihn an, und das Streichholz erlosch. Als Charley ein weiteres anriss, starrte der Schwachkopf ihn immer noch an. Er grübelte. »Ich habe
die Flaschen
im Blick«, sagte er, »nicht die Anzahl.« Und Charley stand da, riss Streichhölzer an und trank Whiskey, bis ihm die Streichhölzer ausgingen.
    Der Flaschenfreund befestigte den Segeltuchvorhang wieder und legte sich dann in einer Ecke auf den Boden. Charleys Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt, und er konnte den Umriss des Schwachkopfs in der Ecke ausmachen. Er setzte sich auf das Brett des einzigen Fensters, trank weiter Whiskey und schlug nach Moskitos. »Ich warte, bis du eingeschlafen bist«, sagte Charley, aber der Flaschenfreund antwortete nicht. Seit Atem war längst gleichmäßig geworden, und kurz darauf begann er zu schnarchen.
    Er lag flach auf dem Rücken, völlig ungeschützt. Charley versuchte sich zu erinnern, ob er je so hatte einschlafen können, ob er sich überhaupt schon einmal nicht zugedeckt hatte. »Kleiner Freund«, sagte er zu der Ecke, »vielleicht machst du genau das

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