Deadwood - Dexter, P: Deadwood
hellroten Linie, die oben am Hals entlanglief. »Ich hab ihm nicht die Kehle durchgeschnitten«, sagte Charley. Handsome Dick setzte sich langsam auf und starrte auf das Blut an seinen Händen.
»Ich glaube, du hast meinen Kehlkopf verletzt«, sagte er.
Lurline blickte Handsome Dick an, als er das sagte, und dann wieder Charley. »Siehst du, was du getan hast? Du hast seinen Kehlkopf verletzt.«
»Ich habe gesehen, wie er einem Farmer fünf Kugeln in den Leib gejagt hat«, sagte Charley, »vier, als er bereits tot war. Ich bleibe doch nicht still stehen, wenn ein Mann mit solch sportlichen Neigungen nach seinem Schießeisen greift.«
»Es war Notwehr«, erwiderte Lurline.
»Ich hab’s gesehen«, sagte Charley und schaute den Sänger an. »Ich weiß, was es war.«
»Er hat eine Axt geworfen«, sagte Handsome Dick. Er tastete seinen Hals ab und betrachtete dann seine Hand. Die Blutung hatte aufgehört.
»Hast du gedacht, er würde nachladen?« fragte Charley.
Lurline gab dem Sänger keine Gelegenheit zu antworten. Sie stand vom Bett auf, durchquerte den Raum und schob Charley zur Tür hinaus. Er ließ sich schieben. »Komm nicht wieder her«, sagte sie, ballte eine Hand zur Faust und schlug Charley vor die Brust. Sie schlug wieder und wieder, den ganzen Weg bis zur Treppe. Charley ging rückwärts und lächelte. Lurline tat weniger weh, wenn sie einen verletzen wollte, als wenn sie einen liebte. »Das ist nicht witzig«, sagte sie und knurrte bei dem Wort
witzig
, weil sie gleichzeitig ihre Faust vorschnellen ließ.
Charley blieb am Kopfende der Treppe stehen, bis Lurline die Puste ausgegangen war. »Du warst was Besonderes«, sagte sie wieder, dann drehte sie sich um, ging in ihr Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.
Er blickte zur Decke. »Das hab ich nie behauptet«, sagte er laut. Er begann die Treppe hinunterzugehen, und noch bevor er unten war, hörte er Handsome Dick Tonleitern singen, um seine Stimme zu testen.
Charley setzte sich an einen Tisch und betrachtete seine Flasche. Er dachte wieder daran, wie sie gelandet war, und versuchte den Grund dafür herauszufinden. Er kam zu dem Schluss, dass er sie austrinken sollte.
Der Hurentreiber war hinter die Theke gegangen, während Charley oben war, und Charley rückte seinen Stuhl so zurecht, dass er gleichzeitig ihn und die Treppe im Auge behalten konnte. Er ging nicht davon aus, den Banjospieler in nächster Zeit zu sehen, aber er konnte auch nicht sicher sein, dass Lurline sich lange seiner Zuneigung erfreuen durfte. Bei einem Mann, der sich selbst »Handsome Banjo« nannte, sollte man nicht davon ausgehen, dass er auf Dauer bei einem Mädchen blieb.
Eine Stunde später saß er immer noch da, er trank und behielt den Hurentreiber und die Treppe im Auge, als ihm wie aus heiterem Himmel der Gedanke kam, das hübsche Mädchen, das Al Swearingen hatte kaufen wollen, in Chinatown ausfindig zu machen.
Es war einer von den Gedanken, bei denen man sich, wenn sie einem erst einmal in den Sinn gekommen waren, fragte, warum man eigentlich nicht schon viel früher daran gedacht hatte.
Solomon Star stand nackt in seinem Zimmer im Erdgeschoss von Mrs. Tubbs Pension und klatschte sich die Haare an. Er tauchte seinen Kamm in ein Glas Schmieröl und verteilte es sorgfältig auf seinem Kopf, dann scheitelte er die Haare in der Mitte und kontrollierte die Linie mit dem Finger. Vom Scheitel ausgehend, zog er den Kamm gerade nach unten, zuerst die rechte Seite, dann die linke, dann hinten. Er berührte seinen Scheitel, suchte nach falsch liegenden Haaren, und als er keines fand, nahm er seinen Hut vom Bett und setzte ihn genau zwischen seine Ohren.
Als Nächstes zog er sein Hemd an, ein neues Hemd mit den Initialen
SS
auf die Brusttasche genäht, und knöpfte es vom Kragen abwärts zu. Als das erledigt war, stellte er den Kragen auf und band eine Fliege um. Er war mehrere Minuten mit dem Knoten beschäftigt, wobei er sich immer wieder vergewisserte, dass die Enden gleich lang waren. Dann griff er in seine oberste Schublade nach einer Dose Talkumpuder – er wusste ohne hinzusehen, wo sie lag – und bestäubte sich unter dem Hemd. Er zog seine Weste an, dann die Unterhose und schließlich seine Hose. Er setzte sich, um die Socken anzuziehen, dunkelrote Socken mit den Initialen
SS
. Leute, die annahmen, Solomon Star sei ein nüchterner Geschäftsmann, hatten noch nicht seine Socken gesehen.
Er polierte seine Schuhe an der Bettdecke.
Bevor er das Zimmer
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