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Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Titel: Deadwood - Dexter, P: Deadwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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vor und sagte lächelnd: »Davon verstehe ich nichts«, und Charley erkannte, dass es wahrscheinlich stimmte. »Denkst du, ich kann trotzdem noch ein Schild aufstellen?« fragte er. »Ich will nichts tun, was wild Bill noch mehr verärgert.«
    »Es wird ihm nichts ausmachen«, antwortete Charley und wandte sich zum Gehen.
    Der Mann bat Charley, Bill auszurichten, er sei jederzeit willkommen und könne sich das Schild ansehen, wenn er wollte. »Und du auch.«
    Charley ging zurück in die Badlands und fand Bill in der Gesellschaft von Captain Jack und dem Mexikaner an der Bar des
Green Front Theater
. Sie waren umringt von Goldgräbern, Zockern und Gaunern, die alle reichlich tranken und sich gegenseitig auf die Schulter klopften. Jemand entlud seinen Revolver in den Boden, was schlimmer stank als die Goldgräber.
    Ein Mann stand im Eingang, seinen umgedrehten Hut in der Hand, und bat Charley um einen Dollar. Der Hut war voller Papiergeld. »Es ist eine Sammlung für die Schmalzlocke«, sagte der Mann. »Wegen des Indianers, den er getötet hat.« Charley steckte einen Dollar in den Hut und ging zur Bar.
    Bill stand neben dem Mexikaner, gegenüber von Captain Jack Crawford. Charley fiel auf, dass dem Mexikaner ein halbes Ohr fehlte. Der Revolver ging wieder los – diesmal sah Charley den Rauch zur Decke aufsteigen wie eine entschwindende Seele –, dann wurde es still im Raum. Captain Jack räusperte sich, öffnete eine Ausgabe des
Black Hills Pioneer
und begann laut vorzulesen. »Ein Sendschreiben an Buffalo Bill Cody«, las er, »von einem anderen alten Indianer-Scout, Captain Jack Crawford. Von Captain Jack Crawford.«
    Es dauerte einen Augenblick, bis Charley begriff, dass es ein Gedicht war.
    Die Neuigkeiten über Custer, hört’ich sie?
    Nun, ich denke, ich tat’s, alter Kumpel
.
    Wie ein Blitz aus heitrem Himmel trafen die,
    und glaubt mir, sie kamen mit großem Gerumpel
.
    Das salzige Wasser wird hier
    natürlich nicht ewig fließen,
    doch ich wär’ ein richtger Barbar,
    keine anständigen Tränen zu vergießen
.
    Charley bahnte sich seinen Weg durch die Menschenmenge und fand Bill, der ihn aber nicht sah. Er und der Mexikaner lauschten gebannt Captain Jacks Vortrag.
    Ich hab mit ihm gedient in der Armee
    und denke an ihn sehr gern,
    in den dunkelsten Tagen des Krieges
    war er unser heller Stern
.
    Und die Jungs, die ihn umgaben,
    bei dem Sturm zur Morgenstunde,
    scherzten genau wie die Wackren, die sta’ben
    am Little Big Horn an ihrer Wunde
.
    Charley wusste nicht, ob er es bis zum Ende aushalten würde. Von dort, wo er stand, konnte er Captain Jacks Finger sehen, der sich die Spalte hinunterbewegte. Er hatte schon fünf oder sechs Verse gelesen und war erst bei der Hälfte. Bill und der Mexikaner blickten sehr feierlich. Charleys Hüft- und Kniegelenke schienen sich in seine Knochen zu bohren. Der Mexikaner hatte sich den Kopf des Indianers unter den Arm geklemmt, mit dem Gesicht nach vorne, dessen Züge sich im Laufe des Vortrags verzerrt hatten. Es sah fast so aus, als würde es lächeln.
    Charley fand einen Platz an der Bar, wo er seinen Ellbogen abstützen und damit seine Beine etwas entlasten konnte. Die Erleichterung war spürbar, und als der Schmerz nachließ, hatte er auch wieder mehr Geduld. Das Gedicht wurde jetzt zornig.
    Sie reden über Frieden mit Dämonen
    und füttern und kleiden sie fein.
    Genauso könnte ein Engel aus dem Himmel
    die Hölle regieren, zufrieden und rein
.
    Doch eines Tages werden diese Quäker
    vor dem größten Richter von allen stehn,
    gefragt nach dem Tode des mutigen Custer
    und den gefallenen Jungs, ihr werdet schon sehn
.
    »Verdammt richtig«, rief jemand. Captain Jack hielt seine Hand hoch und bat um Ruhe, doch bevor er weitermachen konnte, kamen weitere Zustimmungsbekundungen. Mit Unterbrechungen dauerte der Vortrag noch weitere fünf Minuten, und am Ende zog einer der Goldgräber seinen Revolver und schoss dem Mexikaner den lächelnden Indianer aus dem Arm. Der Mexikaner wurde dabei leicht verwundet – eher angebrannt als angeschossen, vielleicht ein bisschen von beidem –, weswegen man ihm das Geld sofort aushändigte, ohne ihn weiter zu piesacken.
    Er nahm es mit derselben Ernsthaftigkeit in Empfang, wie er dem Gedicht zugehört hatte, drehte sich dann um, reichte dem Barkeeper drei Scheine und zeigte auf das leere Glas vor ihm.
    »
Da-me
«, sagte er. Der Barkeeper füllte sein Glas und das von Bill. Dann nahm er das Glas eines schlafenden Goldgräbers

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