Deadwood - Dexter, P: Deadwood
seine Frau erschossen«, sagte der Barkeeper. »Er sagt, es wäre versehentlich passiert, und das könnte stimmen.«
Drüben am Tisch kamen sich Captain Jack und Handsome Dick näher, obgleich sie sich immer weiter voneinander entfernten. »Ich hab meiner Mutter versprochen, nie Alkohol anzurühren.«
»Sie wird dir vergeben«, sagte Handsome. »Man muss sündigen, damit einem vergeben wird. Alles hat zwei Seiten.«
»Nichts hätte die Kleinen dieser Frau retten können …«
»Ich will keine Rache nehmen, an niemandem, das hab ich dir doch gesagt …«
Selbst die Reisenden hatten den beiden inzwischen den Rücken zugekehrt, Captain Jack und Handsome Dick waren jetzt unter sich.
Charley ging zurück nach Lead und sprach unterwegs mit Bill, damit die Stimmen in seinen Beinen verstummten. Er war todmüde und konnte die Stimmen der Kleinen nicht mehr ertragen.
Im Oktober 1877 machte man Boone May zum Sheriff von Lead. Er war zu krank, um für Sheriff Bullock Wegelagerer zu jagen, und sein Ansehen war ins Wanken geraten, selbst im
Gem Theater
.
Er forderte zweihundert Dollar im Monat, zahlbar im Voraus, und erklärte sich im Gegenzug einverstanden, Charley Utter und sein Bordell aus der Stadt zu entfernen. Überall in der Stadt waren Petitionen angenagelt, einige von Stammkunden aus
Lurline’s House of Distinction
unterschrieben, die besagten, der richtige Ort für ein Bordell in den nördlichen Hills sei Deadwood. Niemand erzählte Charley davon, außer Lurline, die sich keine Sorgen machte. »Sie haben alle Angst vor dir«, sagte sie, »weil du Handsome Dick ins Bein geschossen hast.«
Natürlich stellte sich heraus, dass die Aufseher der Hearst Company genauso viel Angst vor ihren Frauen hatten, die einwandten, dass sie auf ihrem Weg zur Bäckerei und zur Kirche immer an diesem Etablissement vorbeigehen müssten. Und am Ende brachten sie den Bürger meister dazu, Boone May anzustellen, um das Ärgernis zu beseitigen.
Boone war schon über ein Jahr krank, lang genug, um zu wissen, dass er nie wieder gesund werden würde. Es gab diesen ersten Anfall, der Gelbfieber ähnelte, und das hatte sich in etwas anderes verwandelt, etwas Leiseres, das ihm jeden Tag ein wenig mehr von seiner Kraft raubte.
Nachts trank er, während er im Bett lag, und manchmal glaubte er zu spüren, wie sein Körper in der langen Unterwäsche Stück für Stück wegstarb. Er zog seine Unterwäsche nicht mehr aus, aus Angst davor, was er dort sehen würde. Morgens war er manchmal zu schwach, um sich anzuziehen. Aber er war von einer solchen Größe – sein Kopf und sein Körper –, dass es niemandem auffiel, wie krank er war. Wenn er manchmal in die Bars der Badlands ging, jagte er den Reisenden immer noch Angst ein.
Und so kam es also, dass Charley am ersten Freitag im Oktober von seiner Zeitung aufsah und Boone May vor
Lurline’s House of Distinction
auf einem Pferd sitzen sah. Lu-Lu saß auf dem Geländer und schenkte Boone ein geschäftsmäßiges Lächeln. Als Boone vom Pferd stieg, sah Charley den Stern an seiner Brust. Seine Haut hatte einen gelblichen Ton, und in seinen Bewegungen lag eine gewisse Unsicherheit, als würde er seinen Händen und Füßen nicht trauen. Seine Kleidung schlotterte ihm am Leib.
»Den nehm ich nicht«, sagte Lu-Lu. Als Hübscheste von den Huren war sie launenhaft geworden und verweigerte sich den harten Burschen ebenso wie den gemeinen Goldgräbern und jedem, der hässlich war oder dem ein Finger fehlte.
Lurline hatte versucht, Charley dazu zu bringen, sie zu schlagen. Aber das tat er nicht. Er sagte: »Du musst schon selbst mit ihr reden.« Er war das ganze Bordellgeschäft leid, Lurline beklaute ihn, und die Mädchen nutzten ihn aus, weil sie wussten, dass er sie nicht schlug.
Lu-Lu schaute von ihrem Platz auf dem Geländer zu Charley hinüber und zog ein Gesicht, das Boone nicht sehen konnte. Es war eine scheußliche Fratze – so wie Kinder sie machten –, aber sie war immer noch hübscher als Boone.
Langsam stieg Boone zwei Stufen die Veranda hoch und hielt sich dabei am Geländer fest. Charley sah, wie es um ihn stand, und maß den Abstand zwischen ihnen beiden, da er gewillt war, ihn aufzuhalten, bevor er sich anstecken würde.
Boone trug einen Revolver. Er hing zehn Zentimeter unter seiner Hüfte und schlackerte, wenn er sich bewegte. Er schien das Gewicht zu spüren, als er die Treppen hinaufstieg. Oben angekommen, hielt er an und lehnte sich gegen das Geländer.
Er starrte Charley mit
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