Deadwood - Dexter, P: Deadwood
einem Auge an. »Ich hab gehört, du hast jetzt ein Bordell, Schnuckel.«
»Mit dem da gehe ich nirgendwohin«, maulte Lu-Lu.
»Warum gehst du nicht ins Haus, Kind?« sagte Charley.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich will das hier sehen.«
Boone wandte den Kopf und richtete ein Auge auf sie. Sie klet terte vom Geländer und ging hinein. »Wir haben vielleicht Arbeit für dich«, sagte Charley. »Die Mädchen haben keine Angst vor mir.«
»Ich habe schon einen Job«, sagte Boone.
»Das sehe ich.«
Er ließ seine Hand neben seinen Revolver fallen, langsam und schwer. »Ich bin jetzt Sheriff.«
»Ich kann mich nicht erinnern, dass es so etwas schon mal hier gegeben hat.«
»Sie haben mir zweihundert Dollar gegeben, und jetzt haben sie einen.« Er klopfte auf seine Brusttasche, wo das Geld steckte. Seine Finger waren dunkel, und er roch, als wäre er einen Monat in eine Büffelhaut eingewickelt gewesen.
»Das hier ist nicht der richtige Ort, um es auszugeben«, sagte Charley. »Deadwood ist der richtige Platz für dich.«
»Das haben sie mir über dich auch gesagt«, entgegnete Boone.
»Ich war in Deadwood und bin hierher gezogen.« Der Boden bebte, und im Haus klirrte es. Heute schien es näher zu sein, und Charley vermutete, sie waren direkt unter der Straße. »Ich liebe die Ruhe«, sagte er.
Boone bewegte sich nicht. »Die Stadtväter bestehen darauf, dass du deinen Laden die Straße runter verlegst«, sagte er und meinte Deadwood.
»Dann haben die meisten von ihnen aber einen weiteren Weg.«
»Nun«, sagte Boone, »der Punkt ist, sie haben mich deinetwegen zum Sheriff gemacht.«
»Aber hier wird kein Gesetz gebrochen.«
Boone gähnte.
»Ich gehorche dem Gesetz«, sagte Charley.
»Deswegen haben sie mir zweihundert Dollar gegeben, um dir zu sagen, dass das Gesetz kein Freudenhaus in Lead will.«
»Wo sind die Papiere?«
Boone fixierte ihn mit diesem einen, dunklen Auge. Charley sah, wie ein Feuer aufblitzte und dann wieder erlosch, mangels Brennstoff. »Keine Papiere«, sagte er. »Nur du und ich.«
»Das Gesetz steht aber heutzutage auf Papier«, entgegnete Charley. »Ohne Papiere kann man noch nicht einmal einen wilden Hund erschießen.«
Boone trat einen Schritt zurück und ließ seine Hand auf dem Revolvergriff ruhen. Charley rührte sich nicht. Er war nicht darauf aus, Boone May zu erschießen, nicht nach all den Geschichten, die das Duell mit Handsome Dick nach sich gezogen hatte. Es lag nicht in seiner Natur, anderen Menschen das Leben zu nehmen, und ein Zwischenfall führte zum nächsten.
»Ich sollte dich übers Knie legen«, sagte Boone, »beide, dich und den Revolverhelden.«
»Ich gehorche dem Gesetz«, wiederholte Charley. Boone sah sich um und lächelte einigen Schaulustigen zu, die auf der Straße stehen geblieben waren.
Charley hörte, wie Lu-Lu im Haus rief: »Charley erschießt gleich den Sheriff.« Und auch darüber lächelte Boone, aber er war krank und schwach, und er erkannte, dass er den Schnösel falsch eingeschätzt hatte. Charley rührte sich nicht.
»Ich sollte dich in den Matsch werfen und ertränken«, sagte Boone. »Es hat keinen Sinn, höflich zu sein.«
Charley dachte ans Ertrinken und stand auf, streckte ein Bein nach dem anderen und ging über die Veranda. Boone lächelte und senkte seinen Blick, als Charley näher kam, bis Charleys Kinn in Höhe seiner Brust war. »Ich hoffe, du bist nicht ansteckend«, sagte Charley, packte Boon an einem Bein und an der Brust, hob ihn hoch und warf ihn von der Veranda.
An beiden Stellen hatte er Boones Knochen gespürt. Boone landete auf seiner Schulter und lag einen Moment lang fassungslos da. Charley ging zu ihm hin und hörte dabei die Mädchen im Haus kreischen: »Charley hat den Sheriff gekillt!«
»Sag nie wieder was von
ertränken
zu mir«, sagte er.
Boone stand auf, langsam und schwach, und stürzte sich dann auf Charley. Er erwischte ihn am Bein, und Charley schlug ihm mit der Faust aufs Ohr. Boone hielt das Bein mit einer Hand fest und griff mit der anderen nach Charleys Weichteilen. Charley schlug ihn wieder, und Boones Kopf rutschte am Bein hinunter. Boone biss zu, lange und tief. Es war schlimmer, als angeschossen zu werden.
Während Charley mit beiden Fäusten auf Boone einschlug, erhaschte er einen Blick auf Lurline, die mit den Händen in den Hüften im Türrahmen stand und ihnen zusah. Er fragte sich, ob sie eifersüchtig war, wenn er von jemand anderem gebissen wurde. Er schlug auf Boone ein, bis der
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