Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Titel: Deadwood - Dexter, P: Deadwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
Vom Netzwerk:
Flur hinaus, die einzigen Geräusche im Haus waren seine eigenen Schritte auf dem Kiefernboden, und dann stieß er zufällig auf Calamity Jane Cannary.
    Er hörte sich schreien, und dann sah er, wer es war. Janes Augen waren blutrot, und ihre Haut war über Nacht schlaff geworden und bleich. Getrocknetes Blut klebte in einem Mundwinkel, ihr Haar erinnerte an Schlangen.
    Sie blieb stehen, als er schrie, und blinzelte ihn an. »Eine solche Memme hab ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen«, sagte sie. »Ein Hurentreiber hat in seinem eigenen Bordell die Hosen voll. Wenn du meinen Patienten aufgeweckt hast, ist dein Pimmel schon so gut wie weggeschossen.«
    Er stand auf dem Flur und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Und dann roch er es, der Tod haftete ihr an. »Ich habe dir doch gesagt, du sollst dieses Mädchen hier wegschaffen«, sagte er.
    Sie spuckte auf den Boden. »Niemand bringt das Kind irgendwohin, bis ich es sage«, sagte sie. »Sie ist noch nicht über den Berg.« Sie blickte Swearingen an, während sie sprach, und allmählich änderte sich ihr Gesichtsausdruck. Sie streckte ihre Hand aus und legte sie ihm auf die Stirn.
    Er schwankte und schloss die Augen. »Du scheinst es auch zu haben«, sagte sie. »Wovon träumst du?«
    Er machte auf dem Absatz kehrt und ging zurück in sein Zimmer. Es kostete ihn viel Willenskraft, nicht loszulaufen. Er hörte, wie sie ihm nachrief und ihn warnte. »Nimm das nicht auf die leichte Schulter.« Er schloss die Tür und sperrte sie hinter sich ab. Dann stellte er einen Stuhl unter den Türknauf und stopfte Handtücher in den Spalt unter der Tür. Als er versuchte wieder zu Atem zu kommen, bemerkte er, dass er schwitzte. Er legte eine Hand auf die Stirn, sie war feucht und heiß.
    Jane klopfte an die Tür. »Hör auf meinen Rat, Hurentreiber«, sagte sie. »Außer mir ist keiner immun. Wenn du überleben willst, solltest du dich mir anvertrauen.« Er wich ans andere Ende des Zimmers zurück bis zum Fenster. Ihre Stimme verstummte, aber er hörte keine Schritte, die sich entfernten. »Hörst du mich da drinnen?«
    Er stand still und spürte, wie es in seinen Händen und in seinem Kopf pochte. Dann sah er den Jungen auf der anderen Straßenseite. Er trug die Jacke und den Hut des Predigers und hatte beide Hände über der Bibel auf seinem Schoß gefaltet. Er wartete.
    Es erinnerte Swearingen an Katzen, oder an Indianer. Er zog die Vorhänge zu und begann zu packen. Er stopfte eine Handvoll Kleider und eine Bibel in eine alte Reisetasche, die er unter dem Bett aufbewahrte, dann hielt er inne, schaute sich um und fragte sich, was er sonst wohl noch brauchen würde.
    Sie hämmerte gegen die Tür. »Ich bin noch nicht fertig mit dir«, rief Jane. »Du solltest deine Einstellung ändern, solange ich versöhnlich gestimmt bin.«
    Er ging dicht an die Tür heran und drückte seine Wange auf das Holz. »Hol meine Frau«, sagte er.
    »Was?«
    »Hol meine Frau.«
    »Die kann dir jetzt auch nicht helfen«, sagte Jane. »Ich bin die Einzige …«
    »Hol meine Frau«, sagte er wieder.
    Es folgte ein langes Schweigen, dann sagte sie: »Ich könnte die ganze verdammte Etage in ein Krankenhaus verwandeln. Es gibt keinen Grund, dass Krankenpflege vier Meilen von der nächsten Bar entfernt stattfinden muss.«
    »In Ordnung, aber hol meine Frau.«
    »In Ordnung, was?«
    »Was immer du willst.«
    Wieder folgte ein Schweigen. »Ich will ein unterschriebenes Papier«, sagte sie.
    Er blieb dicht an der Tür.
    »Eine Urkunde«, sagte sie. »Dein Wort ist nichts wert. Trau niemals einem Hurentreiber, das ist das Erste, was ich gelernt hab.«
    Er öffnete die neue Flasche, setzte sich aufs Bett und nahm einen langen Schluck. In einer besseren Welt hätte er die Tür öffnen und sie erschießen können, aber alles, was er tat – seit dem Tag, an dem er den Jungen lebend am Bach zurückgelassen hatte –, kehrte sich nun gegen ihn. Er fand ein Glas auf dem Boden, goss sich ein und trank es in einem Zug leer. Während der Alkohol verschwand, sah er, wie der Raum sich durch den Boden des Glases offenbarte, bis schließlich alles weg war und er das Fenster sehen konnte, das auf ihn wartete.
    Dann merkte er, dass er vergessen hatte, wie man atmet. Genau genommen nicht er selbst – er konnte es schon, solange er darüber nachdachte –, sondern sein Körper. Er legte sich zurück und sah zu, wie sich seine Brust hob und senkte, und sobald er aufhörte, sich zu konzentrieren, stand sein Brustkorb

Weitere Kostenlose Bücher