Deadwood - Dexter, P: Deadwood
»Du bist ein Schwachkopf, der sich selbst schneidet und giftige Eier isst. Ich hatte nie etwas damit zu tun.«
Das schien der Schwachkopf zu verstehen. »Bekomme ich die Flaschen?« fragte er.
Boone nahm seinen Arm und zog ihn zur Tür, wobei Blut auf den Boden tropfte. »Du bekommst nichts, weil du gar nicht hier warst«, sagte er. »Und wenn du etwas anderes behauptest, sage ich Dr. Sick, was du getan hast.« Er hob den Sack mit den Flaschen auf und wickelte das obere Ende um die verletzte Hand. Dann schob er den Flaschenfreund zur Tür hinaus.
»Ich brauch die Flaschen sowieso nicht«, sagte der Schwachkopf. Boone stutzte einen Moment, und bevor er die Tür schloss, sagte der Schwachkopf noch etwas. »Die Gedanken in den Flaschen, in jeder einzelnen, sind die Gedanken an klitzekleine Waffen.«
Boone horchte an der Tür, während der Flaschenfreund die Treppen hinunterging und dabei seinen Sack hinter sich herzog. Dann schaute er sich im Zimmer um, das voller Blut war, und sah die Kommode mit Lurlines Parfumflaschen, die leer in einer Reihe standen. Gegen das ganze Blut konnte er nichts tun – wenn es getrocknet war, fiel es sowieso kaum mehr auf –, aber er setzte sich an die Kommode, füllte die kleinen Flaschen wieder auf und schraubte jede von ihnen wieder zu. Es war mühsam, und Boone stützte die eine Hand mit der anderen ab, damit er nicht so zitterte. Er brauchte fast eine Stunde, aber er füllte alle Flaschen wieder auf.
Es hatte keinen Sinn, Lurline unnötig zu verärgern.
Der Mann, der Wild Bill Hickok töten würde, war seit Ende des Winters in Deadwood.
Sein Name war Jack McCall, und er war zusammen mit Phatty Thompson und dreiundachtzig Katzen aus Cheyenne in die Hills gekommen. Phatty hatte in Cheyenne fünfundzwanzig Cent pro Katze bezahlt und wollte sie in Deadwood für je zehn Dollar verkaufen. In den nördlichen Hills gab es ein Rattenproblem, und viele der Freudenmädchen wollten eine Katze als Gesellschaft. Er hatte recht mit der Annahme gehabt, wenn erst mal einer eine Katze hatte, dann würden alle eine haben wollen.
Phatty war auf Jack McCall gestoßen, als dieser um Zehner bettelte und für die Huren des
Republican Theaters
in Cheyenne Botengänge erledigte. Er hatte ihm direkt gesagt, so einen wie ihn könne er gut brauchen. »Ja, Sir, das stimmt«, hatte McCall geantwortet. Niemand hatte ihm je vorher gesagt, er sei genau der, den man bräuchte. Er war ein schwächlich aussehender Ire mit schmalen Schultern, ohne Hintern in der Hose und mit einem Gesicht wie ein Nagetier, was Phatty Thompson direkt auffiel, als er ihn aus der Gruppe von Landstreichern herauspickte, die vor dem
Republican
standen und um Kleingeld bettelten.
Phatty dachte, ein Mann, der aussah wie ein Nagetier, könne gut mit Katzen umgehen. Er hatte einen zweihundert Pfund schweren Holzkäfig gebaut, der hinten in seinen Wagen passte und in dem er die Katzen einsperrte, nachdem er sie eingesammelt hatte. In den vier Tagen, in denen er Katzen kaufte, wurde sein Wagen zur größten Attraktion der Stadt. Jedes Mal, wenn Jack einen neuen Kater hineinwarf, ging es um Leben und Tod, bis die Tiere entschieden hatten, wie der Neue in die Rangordnung passte. Manchmal passte einer gar nicht hinein.
Jack McCall hörte es gerne, wenn Katzen kämpften, er erkannte in ihren Schreien seine eigenen, geheimen Gedanken. Seine Aufgabe war es, sich um die Katzen zu kümmern, sie zu füttern und die toten wegzuschmeißen. Etwa zwei Katzen pro Tag wurden von den anderen getötet. Phatty Thompson kaufte säckeweise Hühnerköpfe und Jack McCall verteilte sie überall im Käfig. Manchmal warf er einen Kopf genau zwischen zwei Kater, damit sie darum kämpften. Er hatte Lieblinge unter den Katzen und passte auf, dass sie immer genug zu fressen hatten. Andere – die kleinen und ängstlichen – drängten sich in den Ecken. Ihnen warf er nie etwas zu.
Am Ende jedes Tages gab Phatty Thompson ihm einen Dollar, von dem er sich Whiskey kaufte. Es war der beste Job, den Jack McCall je hatte, und er bedauerte es, als sie Cheyenne in Richtung Hills verließen.
Jack McCall fuhr hinten im Wagen mit, wo er die Katzen im Auge behalten konnte. Dort hatte Phatty auch die Säcke mit den Hühnerköpfen abgestellt. Jack machte die Fahrt und der Geruch von Hühnerblut nichts aus. Aus Langeweile griff er manchmal in den Käfig und zog an einem Schwanz, und wenn die Katze sich beschwerte, wurde sie von den anderen angegriffen, zumindest von denen, die
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