Deadwood - Dexter, P: Deadwood
–, und der Junge ging zu Boden.
Der Mann aus dem
Gem Theater
entfernte sich und die anderen beiden schleiften den Jungen hinter ihm her. Sie hielten ihn an den Armen, legten ihn über den Stapel Feuerholz und zogen ihm die Hosen herunter. Der Junge gab keinen Ton von sich, noch nicht einmal ein Stöhnen. Der Mann aus dem
Gem Theater
knöpfte seine eigenen Hosen auf und kniete sich hinter dem Jungen auf den Boden. »Steck dem Jungen das Messer zwischen die Zähne«, sagte er, »damit er weiß, was los ist, wenn er aufwacht.«
Der alte Mann wandte sich ab und setzte sich hinter den Baum. Ein paar Minuten später hörte er den Jungen. Der alte Mann wunderte sich, dass der Junge kein einziges Mal stöhnte, sondern nur würgte. »Das ist Mr. Bowie in deinem Mund, Junge«, sagte der Mann vom
Gem Theater
. »Wehe, du bewegst dich …«
Der Junge gab wieder dieses Geräusch von sich, als würde er gewürgt werden. Dann schrie er auf – eigentlich war es kein richtiger Schrei –, und der Alte hörte den Mann aus dem
Gem Theater
mit ihm reden. »Wo ist Wild Bill heute Nacht?« sagte er. Der Junge gab wieder ein Würgegeräusch von sich. »Nein, nein«, sagte der Mann fast sanft, »heute habe ich
meine
Freunde mitgebracht …«
Der alte Mann stand leise auf und verschwand zwischen den Bäumen, doch je weiter er ging, desto lauter wurden die Schreie des Jungen. Er war fünfzig Meter gegangen, als es wieder ruhig wurde, und er setzte sich hin. Einen Moment später ertönte noch ein Schrei, ein langer, angsterfüllter Schrei, dann war es still.
Der alte Mann dachte an sein Schrotgewehr und dass es vielleicht Dinge gab, die einem nahelegten, man sollte sich am besten selbst erschießen. Der Schrei war das Letzte, was er hörte. Der alte Mann versteckte sich hinter den Bäumen. Eine ganze Weile später kamen die Männer den Hügel herauf. »Wir hätten es beenden sollen«, sagte der eine.
»Ich weiß«, sagte der Mann aus dem
Gem Theater
.
»Wenn du gesagt hättest, dass du ihn am Leben lassen würdest, hätte ich nicht mitgemacht«, sagte der Erste.
»Manchmal verschenkt man Dinge, ohne zu wissen, warum«, sagte der Mann aus dem
Gem Theater
. »Wir haben dem Jungen sein Leben geschenkt.«
»Du hast ihm das Leben geschenkt«, sagte der erste Mann. »Ich würde zurückgehen und es beenden.«
Der alte Mann hörte sie auf ihre Pferde steigen. Er dachte an seine Schrotflinte, aber er wollte niemanden umbringen. Er war siebenundsechzig Jahre alt und wollte sich nicht mit solchen Angelegenheiten herumschlagen. Er wusste nicht, was er wollte, außer auf die Minengesellschaften warten, Nummer 11 über Old Hope verkaufen und dann in die Stadt ziehen und im Hotel frühstücken. Vielleicht einmal die Woche ins
Green Front
gehen. Ins
Gem
würde er wahrscheinlich nicht mehr gehen.
Im Dunkeln ging er zurück zu seiner Hütte. Er stolperte über Wurzeln und Steine, bewegte sich aber leise vorwärts, wollte jedes Geräusch vermeiden. Die Luft war totenstill. Das Einzige, was man aus der Richtung des Jungen hörte, war der Bach. Er machte ein Feuer an, damit der Junge sehen konnte, dass er da war, und setzte sich auf den Stuhl neben der Tür. Immer noch kam kein Geräusch aus der Richtung des Jungen, nichts außer dem Bach. Er versuchte sich ganz natürlich zu verhalten, als sei er gerade aus der Stadt gekommen. Er machte sich eine Tasse Kaffee und aß ein halbes Pfund Käse. Er kostete dreißig Cent das Pfund bei
Farnum’s
, und er aß jeden Tag ein Stück davon zum Abendbrot. Er saß auf seinem Stuhl, in der einen Hand einen Zinnbecher mit Kaffee, in der anderen ein Stück Käse. Die Mücken belästigten niemanden, der jeden Abend Käse aß.
Er blickte zum Lager des Jungen hinüber, aber die Nacht war stockdunkel. Es kam ihm der Gedanke, dass der Junge ernsthaft verletzt sein könnte. Der alte Mann wollte nicht uneingeladen hereinplatzen – dafür war es zu spät –, aber wenn der Junge nun verletzt war …
Er ging zum Rand des Feuerscheins und starrte zum Zelt des Jungen hinüber. Er lauschte und dachte nochmals über alles nach. Es war unwahrscheinlich, dass der Junge wieder eingeschlafen war, also war er entweder verletzt oder schlecht gelaunt. Der alte Mann entschied sich abzuwarten. Er ließ das Feuer herunterbrennen, und als es aus war, ging er in seine Hütte und legte sich schlafen. Die Schrotflinte lehnte an der Tür und er dachte wieder, er sollte vielleicht dort runtergehen und sich erschießen.
Beim ersten Licht
Weitere Kostenlose Bücher