Deadwood - Dexter, P: Deadwood
des Tages zog er seine Stiefel an und ging hinaus. Es war noch immer bewölkt, die Wolken hingen tief und dunkel am Himmel und die Luft roch so wie vor einem Sturm. Er schaute hinunter zum Camp des Jungen und sah, dass es leer war.
Der alte Mann ging den Pfad hinunter und blickte ins Zelt. Er hatte seine Kleidung und die persönlichen Sachen mitgenommen, aber Pfanne, Schaufel und Gummistiefel dagelassen. Überall auf der Pritsche war angetrocknetes Blut. Der alte Mann zog seinen Kopf aus dem Zelt, er hatte schon mehr gesehen, als er wollte. Auch auf dem Boden war Blut. Die Spur führte vom Stapel mit dem Feuerholz zum Zelt. Der alte Mann fragte sich, was sie ihm angetan hatten, dass er so stark geblutet hatte, ohne daran zu sterben. Das fragte er sich und was das alles mit ihm zu tun hatte. »Was hätte man tun sollen?« sagte er laut.
Er ging wieder den Hügel hinauf zu seinem eigenen Camp. »Alles, was ich hätte tun können«, sagte er, »war, mich selbst zu erschießen.« Er setzte sich auf den Stuhl neben der Tür und blickte hinaus auf den Whitewood Creek, wo der Junge jetzt gestanden hätte, kräftig, ungeschickt und ahnungslos, im stillen Streit mit den Widrigkeiten des Lebens. Er vermisste den Jungen. Außer ihm hatte er noch etwas anderes verloren, während er da zwischen den Bäumen gesessen und dem zugehört hatte, was sie ihm angetan hatten.
Der Junge war den Bach entlang zurück in die Stadt gegangen. Seine Zunge hatte tiefe Schnitte und war geschwollen. Der metallische Geschmack war noch genauso stark wie vorher, als das Messer in seinem Mund gesteckt hatte. An das andere verbot er sich zu denken.
Das hatte er ausreichend getan, nach dem, was im Wagen des Hurentreibers vorgefallen war. Er hatte darüber nachgedacht, bis es seine Gedanken und seine Worte lähmte, bis er stotterte und nicht mehr wusste, was er sagen sollte. Er hatte sich in die Nähe von etwas Schlechtem begeben, und er wusste, wenn er jetzt wieder darüber nachdachte, würde es sich ihm in den Weg stellen.
Er kam an einem halben Dutzend Goldgräber vorbei, die auf Stühlen vor ihren Hütten oder Zelten saßen, mit einem Gewehr oder einer Schrotflinte an den nächsten Baum gelehnt. Was merkwürdig war. Männer, die Sorge hatten, jemand würde ihren Grund und Boden stehlen, etwas, das immer da sein würde. Nur zwei oder drei Männer bearbeiteten ihre Claims. Es war offensichtlich nicht mehr viel übrig.
Er kam den Hang herunter nach Deadwood, es war derselbe Weg, den die Wagen genommen hatten an dem Tag, an dem er die Stadt das erste Mal gesehen hatte. Er wusste nicht, wohin er gehen sollte, darüber hatte er sich noch keine Gedanken gemacht. Er wusste nur, es war nichts für ihn, im Whitewood Creek zu hocken und nach Goldkörnern zu suchen. Er hätte mit dem Gewehr vor seinem Zelt sitzen und auf die Minengesellschaften warten können wie der alte Mann, doch der Junge war nicht der Typ, der wartete.
Es war halb zehn. Aus den Badlands kamen Schüsse, aber er hatte keine Eile, dorthin zu kommen. Er hatte das Interesse an Schießereien verloren. Eine Frau in einem blumengemusterten Kleid, die einen Nachttopf in der Hand hatte, kam aus den
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. und sprach ihn an. Er stand mitten im Matsch. »Guten Morgen«, sagte sie.
Er wollte ihr antworten, aber seine Zunge fühlte sich plötzlich zu groß an für seinen Mund und er hatte Angst, sie würde herausfallen und sich nicht mehr einziehen lassen, wenn er redete. Stattdessen lächelte er und aus einem seiner Mundwinkel lief Blut. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich.
»Bist du angeschossen worden?«
Er schüttelte den Kopf. Sie rannte zurück in die
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. und rief nach dem Sheriff. Der Junge stand im Matsch und wartete, ohne zu wissen, worauf.
Sie kam zurück und zog den Sheriff hinter sich her. Er war ein großer Mann und hatte Augen wie ein böser Hund. »Stimmt mit dir etwas nicht, Junge?« fragte er.
Der Junge wischte sich über den Mund und wandte sich von ihnen ab, um Blut aus seinem Mund in den Matsch tropfen zu lassen. »Was hat er?« fragte die Frau.
»Irgendwas«, sagte der Sheriff, »aber nichts Ernstes.«
»Er kann nicht sprechen«, meinte sie. »Er blutet aus dem Mund.«
Der Sheriff schien weich zu werden. »In Ordnung«, sagte er, »ich schaue, was er hat.«
»Danke, Sheriff«, sagte die Frau. »Wenn Sie jemanden brauchen, der Erste Hilfe leistet, wissen Sie ja, wo Sie mich finden …«
»Ich kümmere mich darum«, sagte der
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