Deadwood - Dexter, P: Deadwood
Sheriff. Er nahm die Frau am Ellbogen und begleitete sie von seiner Veranda hinunter. Als sie fort war, drehte er sich zu dem Jungen um. »Woher kommst du?« fragte er. Der Sheriff trat einen Schritt auf ihn zu. Der Junge hatte keine Angst, aber aus irgendeinem Grund lief ihm das Blut jetzt aus beiden Mundwinkeln.
»Woher kommst du?« fragte der Sheriff wieder und legte ihm die Hand auf die Schulter. Es sah fast zärtlich aus, wie er ihn anpackte. Der Sheriff wollte nicht, dass die Leute sahen, wie er dem Jungen wehtat. Sein Daumen drückte auf den Nerv des Jungen, unten am Hals. Dadurch fing seine Zunge richtig an zu bluten, und er öffnete den Mund, um das Blut auszuspucken.
Der Sheriff guckte ihn an, besann sich eines Besseren und ließ seinen Nacken los.
»Wenn ich du wäre«, sagte er, »würde ich hier nicht herkommen. Das hier ist ein Geschäftsviertel, mein Sohn. Hier gehen Ladys über die Straße. Wenn ich du wäre, würde ich in die Badlands gehen oder dahin, wo ich hergekommen bin.«
Der Junge wollte nicht daran denken, wo er hergekommen war. Und als der Sheriff mit ihm fertig war, ging er weg, in Richtung Badlands. Der Sheriff stand auf der Veranda von
Deadwood Brickworks, Inc
. und sah ihm nach. Der Junge spürte seinen Blick im Rücken.
Er ging ins Badehaus, in der Annahme, er würde dort Charley antreffen. Doch es war niemand da außer einem Schwachkopf, der ihm unbedingt in den Mund gucken wollte.
Er ging bergab in Richtung Norden, bis er Charleys Camp sah. Auch dort war niemand. Im Wagen sah er das Laken, das Charley für sich dort ausgebreitet hatte, die Decke und das Kissen. Alles sauber und weiß. Er wollte nur noch schlafen.
Er zog seine Stiefel und das Hemd aus. Das Hemd war ganz schwer vor Blut, frischem wie getrocknetem. Er ging zum Bach und spritzte sich Wasser ins Gesicht, weil er Charleys Bett nicht beschmutzen wollte. Der Anblick des Wassers machte ihn durstig, und er schüttete sich etwas mit der hohlen Hand über die Lippen. Ein Teil davon erreichte seinen Mund – das spürte er – und verschwand. Es gab nichts, um zu schlucken.
Dann kletterte er hinten in den Wagen und legte sich zwischen die Laken. Lange lag er still da und starrte auf das Segeltuchdach, ohne an irgendetwas zu denken. So heilen Wunden, dachte er, wenn man alles ganz still hält. Den ganzen Tag über fiel er immer wieder in einen unruhigen Schlaf, während die Sonne über das Segeltuchdach hinwegzog. Es war heiß, dann wurde es kühler. Fliegen fielen über ihn her, aber er schmiss das Hemd aus dem Wagen und die meisten flogen hinterher.
Es dämmerte schon, als Charley ins Camp zurückkehrte. Der Junge hörte ihn kommen und dann stehen bleiben, als er realisierte, dass jemand in seinem Wagen war. Charley wollte niemand in seinem Wagen haben. Für ihn war es ein Grund, von seinem Revolver Gebrauch zu machen.
Der Junge lauschte Charleys Schritten, die sich vorsichtig näherten, dann entdeckte er seinen Kopf vorne am Wagen, genau gegenüber von der Stelle, wo er ihn eigentlich erwartet hatte. Der Junge dachte, Charley würde schreien, aber das tat er nicht. Er stand einen Augenblick da, schaute zu ihm hinüber und kletterte dann hoch, setzte sich auf die Bank und schaute ihn an.
»Malcolm?« sagte er.
Der Junge lächelte. Aus einem Mundwinkel lief ein Rinnsal wässriges Blut. Seine Zunge war inzwischen so weit geschwollen, dass er seine Zähne nicht mehr zusammen bekam. »Gütiger Gott«, sagte Charley.
Der Junge zuckte die Achseln, aber seine Schultern waren unter der Decke, wo Charley sie nicht sehen konnte.
Charley wischte die Mundwinkel des Jungen mit seinem Taschentuch ab. »Was für eine Art Unfall war das?« fragte er. Er bewegte den Kiefer des Jungen, um festzustellen, ob er gebrochen war, und frisches Blut floss auf die Laken. Ein Teil seiner Zunge lag zwischen den Zähnen, so schwarz wie die Hills. Sie war vorne in Längsrichtung durchgeschnitten worden, wie weit nach hinten, konnte Charley nicht erkennen.
»Was um alles in der Welt …« sagte er.
Der Junge lächelte wieder, rührte sich aber nicht. Er würde jetzt nicht darüber nachdenken, und er war auch nicht sicher, ob er sich überhaupt an alles erinnern könnte. Als es passierte, hatte der Junge jedes Detail mitbekommen. Egal, was man ihm angetan hatte, etwas in ihm wusste, was es war, und hatte es akzeptiert. Als er in die Stadt zurück-gegangen war, hatte es sich ganz normal angefühlt, selbst nach dem, was passiert war. Aber jetzt,
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