Deadwood - Dexter, P: Deadwood
und schienen beim Anblick von Indianern nicht gleich wegzulaufen. Wahrscheinlich rannten sie überhaupt nie weg.
Er hatte sich entschieden, für das Rennen vier Reiter einzusetzen, wobei sein Bruder Steve den längsten Abschnitt reiten sollte, der sich von einem Haus, das ungeschützt mitten in Wyoming lag und voll war mit Mexikanern, bis nach Camp Collier im Süden der Hills zog.
Er hätte den härtesten Ritt selbst übernommen, aber er wollte den letzten Abschnitt reiten. Er dachte, es wäre besser für das Geschäft, wenn die Goldgräber ihn im Sattel sahen, damit sein Express vertrauenswürdig wirkte. Niemand hatte Enis Clippinger jemals gesehen oder wusste, wer er war. Charley vermutete, dass die Goldgräber deswegen annahmen, er läse ihre Post.
In Cheyenne traf er seinen Bruder, und sie verbrachten den Tag damit, Reiter anzuheuern. Die Street Brothers, Brant und Dick, Herbert Godard, H.G. »Huge« Rocafellow und Bloody Dick Seymour. Zwei von ihnen waren echte Raritäten. Bloody Dick war ein waschechter Engländer, der sich zuerst am Niobrara River in Nebraska niedergelassen hatte und dann in die Hills gekommen war. Die Engländer blieben für gewöhnlich dort, wo sie sich niedergelassen hatten. Er war kein besonders guter Reiter und konnte auch nicht vernünftig schießen, aber Charley gefiel sein Akzent.
Die andere Kuriosität war Huge Rocafellow, der fast genauso groß war wie sein Pferd – ein dunkles, schäbig aussehendes Tier, von dem Huge behauptete, es könne ewig laufen. »Wo hast du den denn gefunden?« fragte Charley seinen Bruder, als Huge gegangen war.
Charley und sein Bruder waren sich so ähnlich, dass sie sich voneinander fernhalten mussten, um Blutvergießen zu vermeiden. Steve antwortete, Huge wäre der bestgelaunte Mann von ganz Cheyenne, und deswegen hätte er ihn eingestellt. Steve war schlau und wusste, wie Charley seine Geschäfte führte. Es musste immer auch Spaß machen.
Charley verschwendete vielleicht sein Geld, aber nie seine Zeit.
Sie verbrachten den frühen Abend in der Bar des
Republican Hotels
. Nach zwei Drinks fragte Steve nach Matilda, dann nach Bill. Er hatte einen treffsicheren Instinkt dafür, worüber Charley nicht reden wollte.
»Ist was zwischen dir und Bill?« fragte er.
Charley schüttelte den Kopf. »Nein, nichts«, sagte er. »Bill ist Bill. Nirgendwo steht geschrieben, dass wir jede Minute des Tages zusammen sein müssen.«
Steve hätte nicht überraschter aussehen können, selbst wenn plötzlich seine Füße verschwunden wären. »Du und Bill, ihr seid doch immer noch Partner, oder? Ich habe noch nie Partner gesehen, die sich so nahe standen wie du und Bill …«
Charley stand auf und streckte sich. »Ich brauche eine Mütze Schlaf«, sagte er, ließ ihn dort in der Bar stehen und ging auf sein Zimmer. Er liebte seinen Bruder, aber er konnte ihn nicht um sich haben.
Den größten Teil der Nacht lag er wach. Er lag auf dem Bauch, hing mit dem Kopf über der Bettkante und versuchte eine bequeme Position für seine Beine zu finden, die nach dem langen Ritt schmerzten. Eine Weile lang starrte er eine Grille auf dem Boden an, die nur ihre Fühler bewegte. Charley glaubte, Gott wäre in jeder Kreatur auf Erden, selbst in den Menschen, und wartete ungefähr zehn Minuten darauf, dass Gott sich ihm offenbarte. Nichts geschah. Er rollte sich auf die Seite und schloss die Augen. Von Grillen konnte man nichts lernen.
Er stellte sich vor, die Grille und er wären verwandt mit Bill und Matilda, die letztendlich auch Gottes Schöpfung waren, aber die beiden könnten einander ewig anstarren und würden doch keine Gemeinsamkeiten feststellen.
Der Junge hatte jegliches Zeitgefühl verloren und fast schon vergessen, was Tag und Nacht bedeutete. Manchmal war das Segeltuchdach hell, manchmal dunkel. Im Dunkeln war sie immer bei ihm und hielt seinen Kopf in ihrem Schoß, während er schnarchte.
Er beobachtete, wie sie schlief und aufwachte und wie sie Whiskey aus der Flasche trank. Er hörte, wie sie draußen mit Bill sprach. »Du und ich«, sagte sie, »wir sind uns ähnlich, Bill. In unseren Adern fließt dasselbe Blut.«
Bills Antwort konnte er nie verstehen. Sie trank und redete, und dann ging Bill fort. Manchmal kletterte sie dann zu ihm in den Wagen, und er sah, wie sie weinte.
Sie merkte nie, dass er sie beobachtete.
Warum er dort lag, hatte er bereits vergessen. Irgendetwas war passiert, das wusste er, aber er wusste nicht mehr, was genau. Zumindest nicht
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