Deadwood - Stadt der Särge
besaßen auch eine bestimmte Farbe.
Rot wie Blut!
Ja, es war ein Blutregen, der hinter der düsteren Gestalt zu Boden fiel, sich dort sammelte, weiter in Bewegung geriet, so daß sich die Tropfen zu einzelnen Buschstaben formen konnten.
Die Buchstaben, die, nebeneinandergelegt, ein Wort bildeten.
DEADWOOD
Jane las die zitternde Schrift und sie hörte auch ein hartes, knarrendes Lachen.
Es endete so abrupt, wie es auch aufgeklungen war, und im nächsten Augenblick war Deadwood verschwunden. Kein Blut mehr, kein Behinderter, keine Häuser und Särge.
Jane Collins starrte wieder in das normale Zimmer, das vom Schein einer am Bett stehenden Lampe nur notdürftig erhellt wurde. Es gab kein Deadwood mehr, die Halluzination war verschwunden. Jane Collins wankte zurück und wurde erst von der Gangwand gestoppt, gegen die sie mit dem Rücken prallte. Sie fühlte sich matt und gleichzeitig wie gerädert. In ihrem Kopf tobten sich die Vermutungen und Gedanken aus, sie fuhren Karussell, sie drehten sich in einem wilden Wirbel, aber Jane konnte sie nicht in eine bestimmte Richtung lenken. Zu sehr stand sie auch weiterhin unter dem Eindruck dieses unheimlichen Bildes.
Was hatte dieses Bild zu bedeuten gehabt? War es eine schicksalhafte Fügung gewesen? Sie hätte gern jemand in der Nähe gehabt, der ihre Fragen hätte beantworten können, doch nur sie hatte dieses Bild gesehen, das ihr im nachhinein vorkam wie ein lebendes Gemälde. Die Furcht saß wie ein Block in ihrem Magen. Sie hörte sich selbst laut aufatmen und erschrak, als Schritte dicht neben ihr aufklangen. Sarah Coldwyn kam zu ihr. Jane hatte sie überhaupt nicht gehört, jetzt aber erkannte sie den besorgten Blick, mit dem die Horror-Oma sie anschaute.
»Bist du in Ordnung, Kind?«
»Nein, nein…«
»Was ist geschehen?«
Jane starrte ins Leere. Sie bewegte kaum die Lippen, als sie ihre Antwort gab. »Er war hier. Ich habe ihn wiedergesehen.«
»Den Fremden?«
»Ja und noch mehr.« Sic schaute die Horror-Oma an, und plötzlich sprudelte es aus ihr hervor. Jane redete laut, sie benutzte dabei auch ihre Hände, um die Ansichten zu untermauern. Manchmal begann sie zu schluchzen, dann wiederum sprach sie hart, beinahe kalt, aber sie hob zum Schluß die Schultern, um ihre Ratlosigkeit anzudeuten.
»Und du hast dich nicht getäuscht, Jane?«
»Nein, Sarah, ich habe das Bild gesehen. Glaub es mir. Ich sah es so, wie ich es dir beschrieb.«
»Ja, ist gut.«
»Was soll ich machen?«
»Erst einmal mußt du dich beruhigen. Ich weiß da ein gutes Mittel.«
Sarah Goldwyn legte der ehemaligen Hexe eine Hand auf die Schulter und drückte sie herum. »Komm, wir gehen nach unten in den kleinen Salon. Dort trinken wir eine Tasse Tee und überlegen gemeinsam, wie es weitergehen soll.«
»Ja, danke.« Als Jane ihr Zimmer passierte, warf sie noch einen scheuen Blick in den Kaum, in dem sich allerdings nichts Ungewöhnliches zeigte.
Lady Sarah hatte sie untergefaßt, wobei es eigentlich hätte umgekehrt sein müssen, wenigstens vom Alter her, aber diesmal zitterte die ehemalige Hexe.
Im Wohnraum schaltete die Horror-Oma das Licht ein und drückte Jane in einen Sessel. »Da bleibst du erst mal sitzen, Kind, während ich den Tee zubereite.«
»Ich möchte aber keinen.«
Sie begann plötzlich zu lachen. »Jetzt weiß ich Bescheid. Ein Cognac würde dir besser tun — oder?«
»Ja, das stimmt.«
»Ich hole ihn.«
Lady Sarah fand im Schrank die Karaffe mit dem edlen Getränk und brachte auch zwei Schwenker mit, die sie sehr gut füllte, denn auch sie brauchte einen Schluck.
»Trink und beruhige dich.«
Der Cognac tat gut. Jane merkte, wie er sie von innen her wärmte. Sie genoß diese Schlucke, und sie verdrehte dabei die Augen. Allmählich kehrte auch Farbe in ihre Wangen zurück. Sie vertrieb die hektischen, roten Flecken aus dem Gesicht.
»Geht es dir besser?«
»Etwas.« Jane stellte den Schwenker auf die gehäkelte Decke, die den runden Tisch bedeckte. Sie streckte die Beine aus und stellte fest, daß sie bereits mit etwas mehr Abstand über die Geschehnisse nachdenken konnte.
»Du hast es dir nicht eingebildet, Jane?«
»Ja und nein.« Sie beugte sich vor und drückte ihre Handflächen gegeneinander. »Es war eine Halluzination, aber keine richtige, verstehst du?«
»Nein.«
»Ich will es erklären. Bei einer Halluzination sieht man gewisse Dinge. Ich kann auch Fata Morgana dazu sagen, aber ich habe sie nicht nur gesehen, sondern auch gehört.«
»Was
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