Deathbook (German Edition)
gleiten, bemerkte etliche rote Markierungen, stoppte bei einer und las den markierten Satz: Das Berühren der Drosselkehle als unbewusste Schutzfunktion.
Leider hatte sie jetzt keine Zeit, weiter darin zu lesen.
Sie legte das Buch fort.
Links lagen lose Blätter. Manuela zog sie zu sich heran.
Auf dem obersten wiederum diese etwas wirren Bleistiftzeichnungen, dazwischen aber immer wieder ein Name.
Kathi, Kathi, Kathi …
Die Buchstaben waren tief in das Papier eingedrückt, dick und schwarz, so als hätte Andreas sie wieder und wieder überschrieben.
Das hatte schon etwas Manisches.
Manuela schob das oberste Blatt beiseite.
Ihr wurde heiß und kalt zugleich, als sie las, was auf dem darunterliegenden Blatt stand:
Analyse der Protagonisten. Plausibilität ihrer Handlungen und die Auswirkungen auf die Story überprüfen.
Dann eine Liste.
Kathi ganz oben.
Darunter: Astrid Pfeifenberger, ihre Lehrerin.
Theresa und Viola, die Freundinnen.
Marco, der Junge, für den Kathi angeblich geschwärmt hatte.
Ein Unbekannter in einem schwarzen Wagen, der Kathi verfolgt hatte.
Ein Unbekannter, der sie gefilmt hatte.
Ein Unbekannter in einem weißen Wagen, der vor mir geflüchtet war und mich niedergeschlagen hatte.
Anima Moribunda, der Absender des Videos.
Das Todesprojekt in der Schule, mit einem dicken Kreis drum herum.
Der Text über den Tod 3 . 0 .
«Das digitale Virus ist die Pest der Neuzeit.»
Der Satz war mehrfach eingekreist.
Für einen Moment blieb die Zeit stehen, und Manuela nahm nicht einmal mehr die Geräusche wahr, die die anderen beim Durchsuchen des Hauses machten.
Ganz ruhig, sagte sie sich. Das muss gar nichts bedeuten. Um den Überblick nicht zu verlieren, hat er diese Liste angefertigt. Das ist doch ganz normal.
Analyse der Protagonisten. Plausibilität ihrer Handlungen und die Auswirkungen auf die Story überprüfen.
Aber warum dann diese Sätze?
Es las sich so, als hätte Andreas die Grundzüge für einen neuen Roman festgelegt. Aber das konnte doch nicht sein, oder? Okay, seine Lektorin hatte gesagt, er hinke schon Wochen einem Termin hinterher, aber er würde doch deswegen nicht den Tod seiner Nichte zu einer Geschichte verarbeiten.
Da war noch ein anderer Gedanke, den Manuela aber nicht zulassen wollte. Trotzdem drängte er sich in den Vordergrund.
Andreas steckte hinter dieser ganzen Sache. Er konstruierte eine neue Geschichte und war dafür sogar bereit zu töten.
Kieling hatte recht: Andreas hatte den Verstand verloren.
Als Hauptkommissar Kieling sie in den Feierabend geschickt hatte, machte Manuela sich auf den Weg. Es gab zwei Menschen, mit denen sie unbedingt sprechen musste. Vielleicht konnten die beiden ja ein wenig Licht ins Dunkel bringen. Es würde ein unangenehmes Gespräch werden, das war Manuela klar, zudem hatte sie Kieling nicht um Erlaubnis gefragt. Sie hatte geahnt, dass er es abgelehnt hätte, deswegen fuhr sie auf eigene Faust los.
Die Hausdurchsuchung war ein Fiasko gewesen – zumindest für Andreas. Neben dem, was Manuela gefunden und was sie Kieling nicht hatte verheimlichen können, hatte der Hauptkommissar im Wohnzimmer drei geleerte Flaschen Rotwein und eine abgegriffene Fotografie von Kathi Winkelmann entdeckt. Es hatte den Anschein, als habe Andreas sich beim Betrachten des Fotos betrunken. Zudem gab es eine umfangreiche Bibliothek zum Thema der Psychopathie, so wie verschiedene Werke zu den bekannten Serienmördern der Geschichte. Diese dienten sicher Recherchezwecken. Dass Andreas sich überhaupt mit der Psychopathie beschäftigte, wies ja wohl darauf hin, dass er nicht psychopathisch war. Verwirrend war aber der handgeschriebene Zettel neben dem Computer.
«Einer von fünfundzwanzig!!!!»
Manuela wusste, was damit gemeint war. Andreas selbst hatte es ihr gesagt: Nach wissenschaftlichen Schätzungen war einer von fünfundzwanzig Menschen ein Psychopath.
Warum war das für ihn so wichtig?
«Sehen Sie den Tatsachen ins Gesicht», hatte Kieling gesagt. «Irgendwas stimmt nicht mit Ihrem Bekannten.»
Manuela war mittlerweile so weit, Kieling in diesem Punkt recht zu geben. Aber sie war noch immer weit davon entfernt, Andreas für den Mörder zu halten, hinter dem sie her waren. Aber wenn nicht bald ein Zeuge auftauchte, der in seinem Sinne aussagte, oder wenn nicht ein kleines Wunder geschah, dann würde Andreas angeklagt werden.
Die Adresse in der Wohnsiedlung aus den sechziger Jahren erreichte Manuela ein paar Minuten nach
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