Deathbook (German Edition)
Kaffeebecher. Für vielleicht zehn Sekunden herrschte eisige Stille. Manuela bemühte sich um einen professionellen Blick, doch ich entdeckte Mitleid darin. Ich spürte, wie sich mir die Nackenhaare aufstellten.
«Nein», sagte ich leise.
«Doch … leider. Dieses Video zeigt, wie deine … Ihre Nichte auf der Bahnstrecke ums Leben kommt. Wir haben bereits einen Antrag auf Exhumierung gestellt.»
«Nein», wiederholte ich. Nicht weil ich es nicht glauben konnte, ich hatte schließlich selbst schon in diese Richtung gedacht, sondern wegen Heiko und Iris. «Das dürfen Sie Kathis Eltern nicht zumuten.»
«Das spielt keine Rolle mehr», mischte sich Kieling ein. «Sie haben sich doch die ganze Zeit bemüht, ein Verbrechen nachzuweisen. Das ist Ihnen gelungen, und natürlich hat das Konsequenzen. Ebenso wie Ihr eigenes Verhalten.»
«Entweder Sie nehmen mich fest, oder Sie unterlassen diese Andeutungen», fuhr ich den Hauptkommissar an. Es kotzte mich an, wie er mit dem Schicksal meines Bruders und dessen Frau umging.
Kieling stand auf und stützte sich mit beiden Händen auf der Tischplatte ab. «Schön, dass Sie das selbst vorschlagen, Herr Winkelmann. Ich nehme Sie in Untersuchungshaft. Wir sprechen uns morgen wieder. Bis dahin können Sie sich beruhigen und sich Gedanken darüber machen, ob Sie uns weiterhin Märchen auftischen wollen.»
A strid Pfeifenberger hatte in der dritten Stunde frei. Bereits gestern hatte sie mit ihren Kollegen abgesprochen, dass sie diese Freistunde dazu nutzen wollte, um mit einigen Schülern über Kathi Winkelmann zu sprechen, und zwar mit Theresa, Viola, Marco, Andi und Stefan. Es war ihr Gespräch gewesen, das Astrid vor zwei Tagen mitgehört hatte.
Sie erwartete die Schüler in ihrem Klassenraum. Astrid hatte lange darüber nachgedacht, wie sie das Gespräch beginnen sollte. Auf keinen Fall durfte sie die Schüler verschrecken, dann schalteten sie gleich auf stur. Aber wäre es nicht trotzdem der beste Weg, es mit der Wahrheit zu versuchen? Wenn die Schüler sich ernst genommen fühlten, würde sie bestimmt helfen.
Es klopfte an der Tür. Astrid bat herein, und nacheinander betraten die fünf Schüler und Schülerinnen das Klassenzimmer.
«Kommt, setzt euch hier vorn hin», bat Astrid sie. Sie hatte sechs Stühle zu einem Kreis aufgestellt.
Wortlos ließen sie sich fallen. Taschen polterten zu Boden, Handys wurden hervorgeholt. Die Jungs zeigten sich gelassen und desinteressiert. Die beiden Mädchen jedoch wirkten deutlich angespannt.
«Also, erst einmal vielen Dank fürs Kommen», begann Astrid. «Ich brauche wirklich dringend eure Hilfe. Oder besser, Andreas Winkelmann braucht sie. Viola und Theresa kennen ihn bereits, er ist Kathis Onkel, und er will wissen, warum Kathi sterben musste.»
Damit hatte sie die Aufmerksamkeit der Gruppe.
«War das nicht Selbstmord?», fragte Stefan.
Astrid schüttelte den Kopf. «Nein, wahrscheinlich nicht. Es hat sich herausgestellt, dass der Betreiber einer Website dahinterstecken könnte. Die Seite heißt Deathbook.»
So gut hatten die Jungs sich nicht unter Kontrolle, dass sie an dieser Stelle nicht zusammengezuckt wären.
«Kennt ihr diese Seite?»
Schulterzucken. Ostentativ zur Schau gestellter Gleichmut. Bis Theresa das Wort ergriff.
«Wir haben alle davon gehört, aber wir kennen sie nicht.»
Die Jungs warfen ihr böse Blicke zu.
«Und was habt ihr gehört? Bitte sagt es mir. Ihr habt keine Nachteile zu befürchten.»
«Nur dass es diese Seite gibt, und … na ja, man stirbt, wenn man sie gesehen hat.»
«Quatsch ist das», mischte sich Andi ein. «Urbane Legende, mehr nicht. Ein paar Gerüchte, und schon hat man einen Hype. Ich glaub nicht dran.»
«Hat Kathi von der Seite gewusst?», fragte Astrid.
Theresa nickte. «Sie hat mal so etwas erwähnt, aber wir dachten alle, sie spinnt, ehrlich. Ich hab das nicht ernst genommen. Wenn ich das gewusst hätte, dann … dann … Sie müssen mir das glauben, Frau Pfeifenberger!»
Theresas Augen wurden feucht, und eine große Träne kullerte ihre Wange hinunter. Astrid legte ihr beruhigend die Hand auf den Oberschenkel.
«Natürlich glaube ich dir. Aber wenn es diese Seite doch gibt und wenn der Betreiber wirklich schuld ist an Kathis Tod, dann müssen wir ihn stoppen. Das versteht ihr doch, oder? Andi, Stefan, Marco … versteht ihr das?»
Die Jungen sahen sie nicht an, nickten aber. Von Gelassenheit und Coolness keine Spur mehr. Marco reichte Theresa sogar ein
Weitere Kostenlose Bücher