Deathbook (German Edition)
Augenblick.
«Ich habe mit deinem Bruder gesprochen …»
«Mit Heiko? Warst du bei ihm? Wie geht es ihm und Iris?»
«Ja, ich habe deinen Bruder zu Hause besucht. Wie du dir vorstellen kannst, geht es beiden nicht gut. Dein Bruder hält sich tapfer, seine Frau liegt im Krankenhaus. Sie hat versucht, sich mit Tabletten das Leben zu nehmen.»
«Scheiße», rutschte es mir heraus. Was Manuela sagte, überraschte mich nicht, aber ich konnte mir vorstellen, wie es Heiko jetzt ging. Er musste nun für alle der Fels in der Brandung sein, dabei stand er selbst auf wackeligen Beinen. Ich musste ihn unbedingt besuchen, sobald ich hier raus war. Wenn er mich je gebraucht hatte, dann jetzt.
«Was wolltest du eigentlich bei Heiko?», fragte ich.
«Ich war wegen der Exhumierung dort», antwortete Manuela. «Ich fand, er und seine Frau sollten es vor dem offiziellen Anruf erfahren.»
«Das ist wirklich sehr anständig von dir», sagte ich und meinte es auch so. Trotz der zwei Tage Untersuchungshaft, an denen auch Manuela nichts hatte ändern können, hätte ich sie dafür gern umarmt. Ich widerstand der Versuchung.
«Das vergesse ich dir nie», sagte ich stattdessen.
Sie lächelte versonnen.
«Genau dasselbe hat dein Bruder auch gesagt. Ich soll es dir ausrichten.»
«Was?»
«Er ist dir sehr dankbar dafür, dass du das für Kathi tust.»
«Es ist das mindeste, was ich tun kann. Und auch wenn es bisher ziemlich schiefgelaufen ist, bin ich doch froh, so gehandelt zu haben. Endlich ermittelt ihr offiziell in der Sache. Kathi wurde getötet, ich hab es von Anfang an gewusst.»
«Ja, du hattest den richtigen Riecher. Deswegen sage ich aber nicht, dass es richtig war, wie du gehandelt hast. Du hast den Täter auf dich aufmerksam gemacht, und er hätte dich ebenso töten können. Damit wäre Kathi oder deinem Bruder auch nicht gedient.»
Ich zuckte mit den Schultern. «Manchmal muss man Risiken eingehen.» Es war kein zur Schau gestelltes Heldentum, es war mir wirklich egal. Natürlich hatte ich Angst, dieser unheimliche Täter mit der Maske mit den roten Fäden vor den Augen war furchteinflößend. Aber ich war eben kein Mensch, der sich von seinen Ängsten einschränken ließ.
«Ja», sagte Manuela, «das muss man wohl. Aber du hast es schon gesagt: Jetzt laufen offizielle Ermittlungen. Du musst jetzt keine Risiken mehr eingehen. Und ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mir alles sagst, was du weißt. Wirklich alles.»
Manuelas Blick war fest auf mich gerichtet, sie blinzelte nicht einmal. Ich stand tief in ihrer Schuld, das wusste ich, und nun war der Zeitpunkt gekommen, einen kleinen Teil dieser Schuld zu begleichen. Für Kathi, für Heiko, für Iris,
Ich beschloss, mich Manuela anzuvertrauen und ihr von der Latex-Oma zu berichten.
Sie hatte meinen Wagen verlassen, ohne dass ich ihr wirkliches Gesicht zu sehen bekommen hatte. Ich hatte ihr nachgesehen, als sie über den Rastplatz zu einem kleinen Waldstück gelaufen war, und hatte aus ihren Bewegungen geschlossen, dass sie ein Mann war, aber sicher war ich mir keinesfalls. Ich wusste nur, dass sie oder er einen Blog schrieb. Natürlich hatte ich überlegt, dass die Polizei oder Jan sie über die IP -Adresse ihres Rechners ausfindig machen könnte. Aber dann war mir eingefallen, dass sie ja gar keinen eigenen hatte, sondern von einem öffentlichen Internetanschluss zum nächsten wechselte. Vielleicht hatte sie aber auch gelogen und besaß einen Laptop, mit dem sie ungesicherte Netzwerke für ihre Online-Aktivitäten nutzte.
Was der Blogger mir erzählt hatte, klang unglaublich. Das allermeiste war sicher auch Unsinn. Hirngespinste. Aber einiges davon hatte mich aufgeschreckt. Weil es zu dem passte, was ich in den letzten Tagen erlebt hatte.
«Dadrinnen», begann ich und zeigte auf den Bildschirm, «im World Wide Web, da bastelt gerade jemand an einem Netzwerk der Toten. Am Deathbook. Ich weiß nicht genau, wie es funktioniert, aber er sucht und findet seine Opfer online. Dann lockt er sie zu einem bestimmten Platz und verlangt von ihnen, dass sie einen Menschen beim Sterben filmen. Tun sie das nicht, sterben sie selbst und werden dabei gefilmt. Und diese Videos stellt er dann über die Deathbook-Seite online. Vielleicht sind diese Videos der Köder, mit dem er seine nächsten Opfer anlockt. Er macht das schon eine Weile, und er wird nicht aufhören, wenn wir ihn nicht stoppen.»
A nn-Christin hatte die Nachmittagsschicht gehabt. Als sie in den
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