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Deathbook (German Edition)

Deathbook (German Edition)

Titel: Deathbook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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Feierabend ging, war es draußen bereits dunkel.
    Helga, die Kollegin, die in den Abendstunden an der Kasse saß, stand draußen bei den Müllcontainern, als Ann-Christin den Laden verließ. Sie rauchte wie immer nach der Schicht eine Zigarette.
    «Wie geht es dir denn?», fragte sie und streichelte Ann-Christin den Oberarm. «Kommst du zurecht?»
    «Es geht schon, danke. Ich gewöhne mich langsam daran.»
    Helga nickte. «Als ich meinen Herbert verloren habe, das war auch hart. Ich habe wochenlang kaum etwas gegessen. Wenn ich damals nicht …»
    Helga redete weiter, doch Ann-Christin hörte gar nicht mehr zu. Sie sah sich um und suchte in den dunklen Bereichen zwischen den Straßenlaternen nach einer Gestalt, die sie beobachtete.
    Sie hatte darüber nachgedacht, ein Taxi zu rufen. Oder ihren Chef zu bitten, ob er sie nach Hause fuhr. Beides hatte sie im Laufe des Nachmittags verworfen. Wenn sie damit begann, würde sie ihr Leben niemals in den Griff bekommen. Von diesem Typ durfte sie sich nicht in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken lassen, sonst hatte er das Spiel doch schon gewonnen. Wahrscheinlich war er sowieso nur ein feiger Spanner, der sich im Internet oder hinter seiner Kamera versteckte. Er war sicher noch ängstlicher als sie und würde sich niemals trauen, sie anzusprechen.
    «… aber die Zeit heilt alle Wunden», beendete Helga ihren Monolog, warf die Zigarettenkippe aufs Pflaster und trat sie aus. «Du schaffst das schon, mein Mädchen, du bist doch stark! So, ich muss jetzt, sonst fährt mir der letzte Bus vor der Nase weg.»
    Helga tätschelte sie noch einmal und verschwand.
    Ann-Christin sah ihr nach.
    Ja, sie war stark. Sie würde sich nicht mehr von ihren Ängsten gefangen nehmen lassen. Ein klein wenig war auch Mama daran schuld, dass sie so unsicher durchs Leben ging. Aber Mama war tot, und sie musste endlich anfangen, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Und sie würde sich nicht gleich zu Beginn von diesem Spanner aus der Bahn werfen lassen.
    Der Fußweg nach Hause dauerte nur zehn Minuten, und sie hatte die Möglichkeit, zwischen drei Varianten zu wählen. Ann-Christin entschloss sich für die Strecke unten am Bach entlang. Dort ging sie eigentlich nie, weil es streng genommen ein Umweg von ein paar Minuten war, aber genau deswegen war der Weg heute genau der richtige. Sollte Anima Moribunda ihr auflauern, würde er es sicher auf der üblichen Strecke im Wohngebiet tun.
    Bevor sie aufbrach, holte Ann-Christin ihr Handy aus der Handtasche und warf einen Blick aufs Display. Nein, es war keine weitere SMS eingegangen. Weil es ihr ein Gefühl von Sicherheit vermittelte, behielt sie es in der Hand und lief los.
    Am Kunstmuseum vorbei, durch den Torbogen, der die Bibliothek mit einem Restaurant verband. Rechts lag der öffentliche Kräutergarten, aus dem sich jedermann bedienen konnte. Um diese Zeit war natürlich niemand mehr dort. Der Weg führte abschüssig auf den Bach zu und dann daran entlang. Die Straßenlaternen standen wegen der Bäume dicht an dicht, der Weg war gut ausgeleuchtet. Es gab hier keine Schattenlöcher. Links neben dem Weg stieg eine drei Meter hohe Böschung an. Oben führte eine der Hauptverkehrsadern durch die Stadt. Dort herrschte auch jetzt noch reger Betrieb. Rechts, auf der anderen Seite des Flusses, zog sich die lange Fassade des Krankenhauses dahin. Viele Fenster waren erleuchtet.
    Sie hatte die kleine Brücke kaum verlassen, da hörte sie hinter sich Schritte auf dem Schotter.
    Über der linken Schulter trug sie ihre Handtasche. Sie klammerte sich mit der Hand an den dünnen Lederriemen. Im Inneren der Tasche befanden sich ihr Portemonnaie, ihr Schlüsselbund und eine große Konservendose Erbsen und Möhren. Die wog schwer, und wenn es sein musste, würde Ann-Christin mit der Tasche zuschlagen. Dafür hatte sie die Dose eingesteckt.
    Doch zunächst ging sie einfach weiter und sah sich nur kurz über die Schulter um.
    Zwanzig Meter hinter ihr ging jemand. Eine große Gestalt in dunkler Kleidung mit einer Kapuze auf dem Kopf. Mehr konnte sie so schnell nicht erkennen.
    Sollte sie stehen bleiben? Oder schneller gehen? War er das, oder war das nur ein harmloser Passant?
    Sie begann zu schwitzen. Zwischen ihren Schulterblättern kribbelte es.
    Sie musste wissen, wer das war.
    Mit einem Ruck drehte sie sich um.
     
    Die Kamera zeigte das Mädchen von hinten, wie es unter dem breiten Torbogen hindurchging. Sie folgte ihr in großem Abstand den abschüssigen Weg zur

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