Deathbook (German Edition)
überrascht. Wenn sie etwas wirklich wollte, konnte es ihr wohl niemand abschlagen. Und sie hatte mich dabeihaben wollen.
Gut so, denn ich hätte mich nicht noch einmal ins Abseits drängen lassen. Dieses Mädchen, Ann-Christin, erwartete meine Hilfe. Ich hatte bei Kathi versagt, hier würde mir das nicht passieren.
«Das war eine ziemlich gute Idee, diese Warnung im Internet», sagte Manuela. «Darauf hätten wir selbst kommen müssen.»
«Jemand wie Kieling wohl kaum, der hält das Web doch bestimmt für Teufelszeug», erwiderte ich.
«Kann man ihm kaum verdenken, wenn man diesen Fall betrachtet.»
«Jedes Programm, jedes soziale Netzwerk ist immer nur so gut oder so schlecht wie die Menschen, die dahinterstehen. Das gilt ebenso für Waffen, politische Einstellungen oder Gesetze. Wenn wir durch meine Warnung dieses Mädchen und vielleicht noch andere retten können, dann ist das Internet nützlich, richtig gut sogar.»
«Auch wieder wahr.»
«Der Deathbook-Killer tut nichts anderes, als sich die Infrastruktur des Word Wide Web und der sozialen Netzwerke zunutze zu machen.»
«Ich verstehe nur nicht, warum er, wenn er so netzaffin ist, den altmodischen Weg geht und die Visitenkarten verteilt. Die könnte er doch ebenso gut digital verschicken. Stattdessen hat er sie bei dir vor die Tür gelegt. Bei Thomas Resing wird es ähnlich gewesen sein, wir haben ja die Karte in seinem Zimmer gefunden. Seine Mutter vermutet, er könnte sie mit der Post bekommen haben. Und bei Ann-Christin war es wahrscheinlich ebenso. Warum tut er das?»
«Vielleicht will er damit seine Macht demonstrieren: Seht her, im Netz bin ich allgegenwärtig, aber auch in der realen Welt entkommt ihr mir nicht.»
An dieser Stelle fiel mir etwas ein, was Jan gesagt hatte.
«Diese QR -Codes kann man als Absprungstelle von der Print- in die digitale Welt betrachten. Möglicherweise will er diesen Charakter beibehalten. Er scheint die Codes zu mögen. Ist dir aufgefallen, wie inflationär diese Dinger heutzutage benutzt werden? Die Innenstädte sind voll davon, es ist wie eine Plage. Ich habe gelesen, sie werden vor allem von jungen, technikbegeisterten Menschen genutzt. Die laufen mit ihren Smartphones herum und scannen die Codes, um sich schnell Informationen zu beschaffen. Die Werbung hat das natürlich längst verstanden. Es gibt Modelle, bei denen man direkt über den Code online einkaufen kann. Und die Generation Facebook macht sich kaum Gedanken darüber, dass sie über die Codes manipuliert werden könnte.»
Der QR -Code. Das Wort löste etwas in mir aus. Ich konnte geradezu spüren, wie sich in meinem Hirn eine Synapse bilden wollte. Wäre ich allein gewesen, wäre es sicher dazu gekommen, aber Manuela zerstörte diesen magischen Moment.
«Ich möchte zu gern wissen, was sich hinter diesem Deathbook verbirgt. Ich meine, die Startseite mit der Maske kann doch nicht alles sein. Irgendwie muss man da doch reinkommen. Es ärgert mich, dass unsere Profis nicht weiterkommen. Kann es denn wirklich sein, dass irgend so ein Hacker schlauer ist, als die Polizei erlaubt?»
Der Gedanke war mir entglitten. Beinahe hätte ich laut geflucht. Da lag etwas direkt vor meiner Nase, vielleicht eine wichtige Spur, aber ich konnte es nicht deutlich genug erkennen. Und dann war es wieder weg.
«Ruf doch noch mal bei Ann-Christin an», sagte Manuela. «Ist schon eine Viertelstunde her.»
«Ja, okay.» Ich fühlte mich wie benebelt.
Manuela warf mir einen schnellen Blick zu. «Alles in Ordnung?»
«Ja, es ist nur … ich weiß auch nicht … gerade hatte ich das Gefühl zu wissen, wo sich der Täter versteckt, aber jetzt ist es wieder weg.»
«Shit», sagte Manuela, «das kenne ich nur zu gut. Habe ich dich mit meinem Gequatsche gestört?»
«Ehrlich gesagt, ja.»
«Sorry, war nicht meine Absicht. Hat es irgendwas mit den QR -Codes zu tun?»
«Bestimmt.»
«Das kommt wieder, du darfst nur nicht so verbissen daran denken. Ruf doch das Mädchen noch mal an, ich will hören, ob alles in Ordnung ist. Ich frage mal bei den Kollegen nach, wie weit die sind.»
Wir wählten gleichzeitig. Ich rief Ann-Christin an, Manuela die Einsatzzentrale vor Ort, die den Streifenwagen losgeschickt hatte.
«Hey, Ann-Christin, hier ist Andreas. Alles in Ordnung bei dir?»
«… das ist so furchtbar …»
Sie klang verstört und den Tränen nahe. Ich war sofort alarmiert.
«Was ist passiert?»
«Die Deathbook-Seite … ich hab reingeschaut …»
Das durfte doch
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