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Deathbook (German Edition)

Deathbook (German Edition)

Titel: Deathbook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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Beerdigungsinstitut Quindt hatte sich in einem ruhigen Gewerbegebiet niedergelassen; Wohnhäuser gab es hier nicht. Um diese Zeit fuhren hier keine Fahrzeuge mehr. Gleich vorn an der Straße stand ein Neubau im Bungalow-Stil. Weißer Klinker, grüne Fenster, Dachziegel in mediterranem Terracotta. Die doppelflügelige Eingangstür flankierten zwei weiße Säulen. Das Gebäude machte einen gehobenen, ehrbaren Eindruck. Ein dezentes Schild an dem gemauerten Pfeiler neben der Toreinfahrt wies auf Inhaber und Öffnungszeiten hin.
    Unter dem Schild befand sich ein Klingelknopf, der von einem großen runden, vergoldeten Metallrahmen eingefasst war. Manuela streckte schon die Hand danach aus, als mir die Videokamera unter dem Dachüberstand auffiel. Ich bemerkte sie nur wegen der kleinen roten Betriebslampe.
    Ich wies Manuela darauf hin.
    «Wenn Quindt wirklich unser Killer ist, gibt es hier sicher mehr als nur eine Kamera. Die anderen sehen wir nur nicht.»
    «Es ist ja nicht verboten, sein Grundstück abzusichern», versetzte Manuela gleichmütig. «Ich klingele jetzt.»
    Sie streckte wieder die Hand aus.
    «Es ist fast Mitternacht», setzte ich nach. «Wir befinden uns in einem Gewerbegebiet, hier wohnt niemand. Wer sollte uns öffnen?»
    «Hast du einen anderen Vorschlag? Dann raus damit. Aber komm mir bitte nicht damit, dass ich das Sondereinsatzkommando rufen soll. Das kannst du nämlich gleich vergessen.»
    «Muss ja nicht sein, aber wenn Ann-Christin hier ist, dürfen wir keine Zeit verlieren. Und vor allem dürfen wir ihn nicht warnen. Komm, wir steigen über das Tor und sehen uns mal um.»
    Manuela schüttelte so energisch den Kopf, dass ihr Haar flog.
    «Mach ich nicht. Hier ist keine Gefahr im Verzug. Der Kieling reißt mir …»
    Das Klingeln ihres Handys unterbrach sie.
    Sie warf einen Blick aufs Display und sah mich erschrocken an.
    «Er ist es.»
     
     
    E r hatte den Tisch, auf dem Ann-Christin festgeschnallt war, schräg gestellt. So war sie nicht mehr gezwungen, an die Decke zu starren, und konnte alles sehen, was in dem Raum vor sich ging.
    Nachdem er die Kanülen in die Blutgefäße ihrer Oberschenkel geschoben hatte, war er verschwunden. Das medizinische Gerät rechts neben dem Tisch, das aussah wie eine Pumpe, lief noch nicht. Der transparente Schlauch, der von Ann-Christins Oberschenkel zu dem Gerät führte, war leer, die Kanüle also noch nicht geöffnet. Durch den zweiten Schlauch, der von dem großen Metallgefäß zu ihrem Körper führte, floss noch keine verwesungshemmende Flüssigkeit.
    Ann-Christin hatte versucht, ihren Fesseln zu entkommen, doch die mit der metallenen Platte des Tisches verbundenen stabilen Ledergurte gaben keinen Millimeter nach. Irgendwann hatte sie aufgegeben. Aus Angst war Gewissheit geworden: Sie würde hier sterben. Anfangs hatte sie noch geweint, doch die Tränen waren bald versiegt. Es war merkwürdig, aber die Gewissheit des baldigen Todes hatte sie ganz ruhig werden lassen. Ihr Peiniger hatte ihr versprochen, dass sie keine Schmerzen spüren würde, und darauf vertraute sie. Es war diese letzte Hoffnung, an die sie sich klammerte.
    Nie wäre sie auf die Idee gekommen, dass dieser Mann ihr Verfolger sein könnte.
    Sie erinnerte sich noch gut an den Tag vor knapp zwei Wochen, als sie in dem Aufbahrungsraum vor dem Sarg ihrer Mutter zusammengebrochen war. Sie hatte den Mann neben sich wahrgenommen, ohne ihn wirklich zu sehen. Er hatte sich fürsorglich und verständnisvoll um sie gekümmert, so wie man es von jemandem dieses Berufsstandes erwarten durfte. Seine Stimme war warm und angenehm gewesen, und seine Worte hatten sie ein wenig aufgerichtet. Ann-Christin erinnerte sich nicht mehr daran, was er im Einzelnen gesagt hatte. Sie selbst hatte davon gesprochen, dass sie den Tod ihrer Mutter nicht begreifen könne. Sie erinnerte sich noch, dass sie mit einem besseren Gefühl nach Hause gegangen war. Er hatte ihr nicht wirklich helfen können, aber etwas in ihr angestoßen. Nach dem Zusammentreffen hatte sie sich online auf die Suche nach Antworten gemacht.
    Wie hätte sie wissen können, dass er genau das beabsichtigt hatte.
    Sie hörte ein Geräusch und wandte den Kopf nach links. Dort sah sie einen grauen Vorhang, der sich leicht bewegte. Einen Moment später trat Quindt durch den Vorhang.
    Er war ein großer, schwerer Mann Mitte zwanzig, hatte dünnes blondes Haar mit Geheimratsecken und ein kindliches Gesicht. Die Wangen waren dick und rosig, die kleinen Ohren

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