Deathbook (German Edition)
sowieso keinen Sinn mehr, ihn zu filmen. Ihm blieben ja noch die Bilder und Töne der GoPro Hero 3 . Vielleicht würde er später mit dem Material und mit den bereits vorhandenen Aufnahmen der Black Magic etwas zusammenschneiden können. Im Umgang mit Final Cut war er mittlerweile ein wahrer Meister.
Er wandte sich vom Sarg ab, kletterte auf den Stuhl und montierte die Black Magic vom Stativ ab. Dann klappte er das Stativ zusammen und nahm beides mit.
Ann-Christin wartete. Sie war so weit.
Und er freute sich wie ein kleines Kind auf sie.
D er schwarz lackierte, langgezogene Mercedes-Benz-Leichenwagen stand hinter einem verschlossenen Metalltor auf dem Betriebsgelände des Beerdigungsinstituts. Auf der Fahrertür war ein silberner Schriftzug angebracht: Quindt, der Name des Inhabers. Das Q war sehr groß geschrieben, es überragte alle anderen Buchstaben und sah in der Dunkelheit und auf die Entfernung aus wie ein Smiley.
Karl Christian Rochus Quindt.
So hieß der Betreiber des Beerdigungsinstituts. Manuela hatte das in Erfahrung gebracht. Ich hatte mir in Ann-Christins Haus von dem Beamten mit dem flachsblonden Haar dessen Handy geliehen und sie angerufen. Mein eigenes Telefon hatte ich nicht benutzen wollen. Allerdings war es möglich, dass er nicht nur meins, sondern auch Manuelas Handy abhörte. Schließlich kannte er sie aus der Kiesgrube, was die Videoaufnahme belegte. Also hatte ich mich kurz gefasst und sie lediglich sehr eindringlich darum gebeten, sofort zurückzukommen. Lutz Kaiser ist nicht unser Mann, hatte ich gesagt. Unser Mann ist hier.
Fünf Minuten später hatte Manuela herausgefunden, dass ich recht hatte. Polizeibeamte hatten Kaisers Wohnung gestürmt und einen betrunkenen Mann vorgefunden – aber nicht Ann-Christin. Und mit dem Tod ihrer Mutter hatte er wohl auch nichts zu tun. Es sah so aus, als sei er zu dem Zeitpunkt im Krankenhaus gewesen und erst vor wenigen Tagen entlassen worden.
«Was machen wir jetzt?», fragte ich.
Ich saß auf dem Beifahrersitz ihres Wagens. Wir starrten beide durch die Windschutzscheibe zum Betriebsgelände hinüber.
«Wir klingeln und fragen höflich, ob er der Deathbook-Killer ist, was sonst.»
Das war kein Sarkasmus. Lutz Kaiser, Ann-Christins Vater, hatte als trunksüchtiger Choleriker überhaupt nicht ins Bild des Deathbook-Killers gepasst. Dennoch hatte Manuela ihn überprüfen lassen müssen. Diese blöde Bemerkung, dass niemand seine Tochter bekäme, konnten wir in der Situation ja nur falsch verstehen. Der Einsatz gegen Lutz Kaiser war ein Desaster gewesen, dafür würde sich Manuela bei ihren Vorgesetzten verantworten müssen. Ich wollte nicht in ihrer Haut stecken.
Was Hauptkommissar Kieling bei dem Lehrer Franz Altmaier erreicht hatte, wussten wir noch nicht. Altmaier war meine heiße Spur gewesen, ich hätte meine rechte Hand darauf verwettet, dass er der Täter war. Mit meinem jetzigen Wissen sah aber alles wieder ganz anders aus. Kieling war also ebenfalls auf einer falschen Spur, und seinen Ärger darüber würde er ohne jeden Zweifel an Manuela auslassen. Dass sie keine Lust hatte, einen dritten Fehler zu begehen, war nur zu verständlich.
«Du hast Zweifel?», fragte ich sie.
«Ja klar, was denkst du denn?»
«Aber die Fakten …»
«Die Fakten sprachen auch schon für Kaiser oder Altmaier. Stattdessen stehen wir jetzt hier und setzen unsere Hoffnung auf einen dunklen Wagen. Solche Fahrzeuge gibt es millionenfach. Bei Lutz Kaiser habe ich ein Spezialeinsatzkommando gerufen, den Fehler mache ich hier nicht noch einmal. Wir gehen rüber und klingeln. Mein letztes Wort.»
In dieser Sache war mit Manuela nicht zu verhandeln, also versuchte ich es erst gar nicht.
Sie überprüfte ihre Dienstwaffe, dann stiegen wir aus.
«Ich weiß nicht, warum ich schon wieder auf dich höre», murmelte Manuela grimmig.
«Weil du weißt, dass ich diesmal recht habe?»
«Spiel dich nicht so auf. Du lagst mit dem Tätowierer und dem Lehrer daneben. Deinetwegen ist dieser Fall ein einziges Chaos.»
«Meinetwegen gibt es diesen Fall überhaupt.»
«Auch wieder wahr.»
Das Metalltor war massiv und zwei Meter hoch. Da es zwischen den vertikalen auch horizontale Streben gab, die man als Tritte nutzen konnte, würde man leicht hinüberklettern können.
Rechts vom Tor verlief eine zwei Meter hohe Sandsteinmauer bis in die Tiefen des nicht einsehbaren Grundstücks. Auf der anderen Seite der Mauer befand sich ein Dachdeckerbetrieb. Das
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