Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Deathbook (German Edition)

Deathbook (German Edition)

Titel: Deathbook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
Vom Netzwerk:
warteten darauf, mit dem gefüllt zu werden, was niemand über den Deathbook-Killer wusste. Hier kam meine Phantasie ins Spiel. In diesen Abgründen kenne ich mich aus, ich bin dort sozusagen zu Hause. Wenn ich in die Berge wandern gehe, suche ich Abgründe und klettere über ihnen herum. Wenn ich schreibe, dann ebenfalls über Abgründe, wenn auch eher solche seelischer Natur. Wer hier einen Zusammenhang sehen will: bitte schön. Und da wir schon bei Klischees sind: Ich wurde als kleiner Junge von meinem Bruder und meinem Cousin mit dem Hals an das Seil einer Schaukel geknüpft. Dort hing ich eine Weile über dem Abgrund des Todes, ehe meine Mutter mich fand und rettete. Den Erzählungen nach war ich fast tot. Heute kann ich mich nicht mehr daran erinnern, zumindest nicht bewusst. Aber ist es nicht gerade das Unterbewusstsein, das uns zu dem Menschen macht, der wir sind?
    Wie dem auch sei: Ich hatte meine Geschichte. Endlich. Meine Lektorin würde zufrieden sein. Es gab noch eine Menge zu tun, aber die Grundidee stand, und sie war gut. Ich hatte in der Nähe der tschechischen Grenze, in dem kleinen, abgelegenen Ort Rabenstein, ein Hotelzimmer gebucht. Dorthin würde ich mich in der kommenden Woche zurückziehen, um das Buch fertigzuschreiben. Der Ort gefiel mir auch deswegen, weil dort noch in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein merkwürdiger Brauch herrschte: Die Einwohner brachten ihre Toten auf den Gipfel des Hennenkobel, eines tausend Meter hohen Aussichtsberges. Dort blieben sie drei Tage lang, um Abschied zu nehmen von ihrer geliebten Heimat.
    Auch ich musste für eine Weile Abschied nehmen. Der Trubel wurde mir einfach zu groß. Die Presse war hinter mir her. Immerhin hatte ich maßgeblich zur Aufklärung des schlimmsten Serienmörderfalles der Nachkriegszeit beigetragen. Der Trubel wäre wohl noch größer gewesen, wenn ich Quindt in seiner unterirdischen High-Tech-Zentrale erschossen hätte.
    Für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich es auch tun wollen. Und wenn er auf mich losgegangen wäre, hätte ich es auch getan. Aber das war er nicht, und ich hatte ihn nicht in den Rücken schießen können. Also hatte ich das Magazin in den Server entleert und ihn zerstört. Die Auswirkungen auf Quindt waren nicht viel anders gewesen, als hätte ich auf ihn geschossen. Er hatte geschrien und geheult und sich auf dem Boden herumgewälzt. Und genau so hatten Manuelas Kollegen ihn wenig später vorgefunden.
    Ein wahrhaft unrühmliches Ende für einen Serientäter. Diese Menschen werden oft zu Helden stilisiert, zu hochintelligenten Wesen, die über uns allen schweben. Quindt war sicherlich intelligent, aber er schwebte nicht – ganz im Gegenteil. Der Abgrund, in dem er leben musste, war so tief und furchterregend, dass es sogar mir Schwierigkeiten bereitete, ihn mir auszumalen. Insofern war es nur gerecht, dass er überlebt hatte.
    Trotzdem, es war und blieb ein unrühmliches Ende.
    Vielleicht sollte ich die ganze Geschichte noch einmal überdenken.
    Warum nicht? Es ist schließlich meine Geschichte. Ich bin innerhalb meiner Fiktion Gott und kann tun und lassen, was ich will. Wenn mir danach ist, kann ich die Leser nach Strich und Faden an der Nase herumführen.
    Bis niemand mehr weiß, was Realität und Fiktion ist.
    Selbst ich nicht.
     
     
    E s war ein großer Tag für Klaus Koch.
    Heute bekam er sein Leben zurück.
    Vielleicht hatte er es auch schon vor vier Wochen zurückbekommen, an dem Tag, an dem der Schriftsteller den Deathbook-Killer enttarnt und überwältigt hatte. Nur hatte er es da noch nicht wirklich glauben können. Vorsicht, das hatte er in den vergangenen Monaten gelernt, war die beste Lebensversicherung. Die war nun nicht mehr notwendig. Schon morgen würde er aus dem versifften Kellerloch ausziehen, das die letzten Wochen sein Zuhause gewesen war. Er würde die Masken ablegen, auch die der Latex-Oma, mit der er sich dem Schriftsteller gezeigt hatte. In Winkelmann, das musste er zugeben, hatte er sich getäuscht. Er hatte nicht geglaubt, dass der Mann dem Deathbook etwas anhaben könnte. Man durfte eben nie die unerschöpfliche Kraft der Rache unterschätzen.
    Vielleicht würde Klaus Koch den Schriftsteller eines Tages aufsuchen und sich bedanken. Vielleicht.
    Heute jedoch gab es etwas anderes zu tun. Etwas, das ihn ins Leben zurückführen und am Leben der modernen digitalen Gesellschaft wieder teilhaben lassen würde.
    Er hatte sich ein Smartphone gekauft.
    Das größte und

Weitere Kostenlose Bücher