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Deathbook (German Edition)

Deathbook (German Edition)

Titel: Deathbook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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aber da das Wasser die Strahlen von unten zurückwarf, half das nicht wirklich.
    «Alles klar bei dir?», fragte ich.
    Sie nickte, knöpfte die Schwimmweste auf und ließ sie in den Sand fallen.
    «Am liebsten würden ich schwimmen gehen», sagte sie und sah mich fragend an. Ihr Blick war voll kindlicher Freude.
    «Dann mach das doch, ich bereite schon mal das Picknick vor.»
    «Super, danke!»
    Sie lief zum Fluss hinunter. Dort zog sie das Shirt aus, das sie über dem schwarzen Badeanzug trug, betupfte ihre Arme und Stirn und glitt schließlich ins Wasser.
    Ich sah ihr einen Moment zu. Das Wasser war durch die mitgeführten Sedimente undurchsichtig, man konnte nicht sehen, was darin herumschwamm, aber das war Kathi egal. Ich hoffte, dass die Ängste, die ihre Mutter mit sich herumschleppte, nicht irgendwann auf sie übergehen würden. Was ich dafür tun konnte, waren solche kleinen Abenteuer. Während ich die Decke ausbreitete und den mitgebrachten Proviant darauf ablegte, nahm ich mir vor, mehr Zeit mit Kathi zu verbringen. Vielleicht könnte ich sie ein wenig im kreativen Schreiben unterrichten. Ich wusste ja, dass sie Interesse daran zeigte.
    Sie hielt es ein paar Minuten im Wasser aus, kam dann raus, schlang sich ein großes Badehandtuch um den Körper und setzte sich zu mir auf die Decke in die Sonne. Jetzt roch sie nach Fluss.
    «Danke, dass du mich mitnimmst», sagte sie. «Es ist wirklich schön hier.»
    «Freut mich, dass es dir gefällt. Hast du schon Blasen an den Händen?»
    «Ja, eine», sagte sie, hielt mir ihre Handflächen hin und strahlte mich an. «Macht aber nichts.»
    «Wenn die Hand trocken ist, kleben wir ein Pflaster drauf, damit es nicht schlimmer wird.»
    Wir aßen, tranken und beobachteten die wie erstarrt wirkende Landschaft. Die Ruhe ging auf uns über, füllte uns aus, und für ein paar Minuten verfielen wir in Schweigen.
    Es war Kathi, die es schließlich brach.
    «Papa hat erzählt, du warst früher mit ihm bergsteigen.»
    «Ja, aber das war vor deiner Geburt.»
    «Du machst das doch jetzt auch noch. Warum geht Papa nicht mehr mit?»
    Sie sah mich an bei dieser Frage, und ich erkannte in ihren Augen, dass sie die Antwort mindestens ahnte, wenn nicht sogar kannte. Lügen war zwecklos, aber warum sollte ich das auch tun. Ich wusste ja, welchen Kampf Kathi hinter sich gebracht hatte, um allein diese Kanutour mitmachen zu dürfen.
    «Deine Mama war damals dagegen», sagte ich. «Sie fand es zu gefährlich.»
    «Mama findet alles gefährlich.»
    «So sind Mütter eben.»
    Kathi schüttelte den Kopf. «Aber nicht alle, glaub mir. Mama erlaubt ja nicht einmal, dass ich nach Einbruch der Dunkelheit noch bei meiner Freundin Theresa bin. Ich bin doch kein kleines Baby mehr. Ich bin fünfzehn.»
    So, wie sie das sagte, klang es, als sei sie mindestens vierzig. Ich spürte den angestauten Frust in ihr. Sie war mitten in der Pubertät, kein Mädchen in dem Alter ließ sich gern einsperren. Erschwerend kam hinzu, dass Kathi ein Freigeist war, viel mehr, als ihr Vater früher einer gewesen war. Ich bildete mir gern ein, dass sie das von mir hatte.
    «So schlimm ist es doch nicht, oder? Immerhin durftest du mit», sagte ich.
    «Ja, aber nur, weil Papa laut geworden ist.»
    «Deine Eltern haben sich deswegen gestritten?» Ich wusste davon nichts. Heiko hatte nichts gesagt.
    Kathi nickte. «Mama wollte es nicht. Sie meinte, du könntest gar nicht auf Kinder aufpassen. Du wärst viel zu egoistisch.»
    Mir blieb ein Bissen Brot im Hals stecken. Ich trank aus meiner Wasserflasche. Den Brocken musste ich erst einmal schlucken, ehe ich antwortete.
    Kathi kam mir zuvor.
    «Papa ist echt laut geworden, so kenne ich ihn gar nicht. Er hat Mama vorgeworfen, sie würde mich in einen Käfig sperren und das würde er nicht länger zulassen.»
    Meine Nichte sah mich direkt an. In diesem Moment hatte ihr Blick etwas Unnachgiebiges, Hartes.
    «Papa hat recht, weißt du. Und ich glaube, er würde auch heute noch gern mit dir in die Berge gehen. Aber irgendwie … ich weiß nicht, er kann nicht für sich eintreten, nicht gegen Mama.»
    Was ich in den letzten Jahren immer nur gedacht, aber nie auszusprechen gewagt hatte, sprach nun meine fünfzehnjährige Nichte aus. Mit ihrer großen Empathie hatte sie genau verstanden, was zwischen ihren Eltern lief, und sie scheute sich nicht davor, es in Worte zu fassen. Ich kannte viele Erwachsene, die dazu nicht in der Lage waren und mit denen ich nicht solche Gespräche führen

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