Deathbook (German Edition)
her, Hände flogen in die Luft, Köpfe zuckten im Rhythmus der ohrenbetäubenden House-Musik.
Schwitzende Körper, eng aneinandergeschmiegt, freie Schultern, muskulöse Oberarme. Mädchen, die vor Jungs in die Knie gingen. Jungs, die ihre Hände nicht von den Körpern der Mädchen lassen konnten. Glasige Augen, fahrige Gesten, der Gestank von Schweiß und hartem Alkohol lag in der Luft, dazwischen unbändige Energie.
Schnitt.
Ein schlanker, trainierter Junge bewegte sich in schwarzem T-Shirt und enger Jeans an der Tanzfläche entlang. Er wich den wild um sich schlagenden Leibern aus, manövrierte geschickt durch das Schlachtfeld, ohne mit jemandem zu kollidieren. Dabei visierte er die Theke an und gab dem Barkeeper ein Zeichen. Kurz darauf bekam er ein bernsteinfarbenes Getränk in einem kurzen, breiten Glas. Der Junge setzte es an die Lippen, trank einen kräftigen Schluck und verzog das Gesicht, als litte er Schmerzen. Dann ließ er seinen Blick durch die schier endlose dunkle Halle schweifen. Nebel stieg vom Boden auf und verwandelte die Menge in eine Horde tanzender Zombies.
Der Junge entdeckte darin jemanden. Er trank das Glas leer und machte sich auf den Weg, an der Theke vorbei in Richtung Toiletten. Jeder Schritt war Ausweichen und Lavieren. Überall standen Leute herum, manche hockten am Boden, meist einzelne Jungs, aber auch einige knutschende Pärchen. Der Junge folgte einem Typen in Blue Jeans und eng anliegendem weißem Muskelshirt in die Toilettenräume. Die Tür schlug hinter ihm zu.
Schnitt.
Der Junge warf sich zwei bunte Kapseln in den Mund, beugte sich über das Waschbecken, ließ Wasser in die hohle Hand laufen, trank es, legte den Kopf in den Nacken und schluckte die Kapseln hinunter. Dabei dehnte sein auf und ab hüpfender Kehlkopf die straffe Haut am Hals.
Der Junge stützte sich mit beiden Händen auf dem Waschbecken ab und ließ den Kopf tief zwischen die Schultern sinken. So verharrte er einen Moment und ignorierte die Menschen, die an ihm vorbei zu den Toilettenkabinen gingen. Schließlich sah er auf und betrachtete sich im fleckigen Spiegel.
Schnitt.
Der Junge stand am Rande der Tanzfläche, vor ihm die zuckende Menge. Ein schlankes Mädchen mit langen dunklen Haaren schob sich von hinten an ihn heran, legte einen Arm um seine Taille und wollte ihn küssen. Er zog abweisend den Kopf zurück.
Die Lippen des Mädchens formten Worte, die in der lauten Musik untergingen. Ihre Hand strich über seinen Rücken nach oben, die Finger legten sich in seinen Nacken.
Er schüttelte den Kopf, und schließlich ließ sie von ihm ab.
Drehte sich herum und kam direkt auf die Kamera zu.
Sie wirkte besorgt.
Schnitt.
TommyX 5 saß mit glasigem Blick und offenem Mund vor seinem Laptop. Zum zehnten Mal sah er sich das kurze Video bereits an. Am Ende schaltete er die Lautsprecher jedes Mal stumm, damit er die Aufforderung nicht hören musste. Ein wenig zu spät auch diesmal, drei Worte bohrten sich wie Dolche in seine Gehörgänge.
«Leiste deinen Beitrag …»
Tommy war fassungslos. Der Junge in dem Video war er selbst, das Mädchen seine Freundin Tatjana. Weder er noch sie hatte etwas davon bemerkt, dass er vor zwei Tagen im Danceclub Komahouse gefilmt worden war. Die Qualität der Aufnahme sprach gegen eine simple Handykamera, aber er erinnerte sich nicht, jemanden mit einer größeren Kamera dort gesehen zu haben.
Okay, er war beschissen drauf gewesen, hatte keine Lust auf Party gehabt, seiner Clique aber auch nicht absagen können und deshalb schon in der ersten halben Stunde viel zu viel getrunken. Tatjana war ziemlich nervig gewesen. Sie hatte ihm auf der Tanzfläche immer wieder die Zunge in den Hals stecken wollen. Er war das Gefühl nicht losgeworden, dass sie jemand anderen damit eifersüchtig machen wollte.
Irgendwann hatte Tommy einen Filmriss gehabt. Nach den beiden Kapseln auf den Whisky war es ihm wirklich nicht gutgegangen. Er hatte sich sogar übergeben müssen. Tatjana hatte ihn nach Hause gefahren, dass wusste er noch.
«Scheiße», flüsterte Tommy und fuhr sich mit beiden Händen durch die kurzen Haare. «Scheiße, scheiße, scheiße, worauf hab ich mich nur eingelassen. Ich bescheuerter Idiot.»
Als er den Brief bekommen hatte, hatte er gedacht, zu allem bereit zu sein.
War er aber nicht.
Für das hier nicht.
Das ging einfach zu weit.
Er war doch kein Mörder.
A bends hockte ich deprimiert in meinem Büro vor dem Computer . Meine Lippe
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