Deathbook (German Edition)
stellten die Vermutung an, sie sei in der Schule gemobbt worden. Andere machten eine große Liebe Kathis für ihren Tod verantwortlich, allerdings ohne Namen zu nennen. Einer warf mir vor, ich wolle nur Gefällt-mir-Klicks für meine Fanpage sammeln. Jemand riet mir, Kathis Rechner zu checken. Ein Mädchen schrieb, das Beste, was einem in dieser Welt passieren könne, sei ein früher Tod, und wenn Kathi ihren Tod selbst herbeigeführt habe, hätten wir das alle doch gefälligst zu akzeptieren.
Ich hangelte mich von Kommentar zu Kommentar und war hin- und hergerissen zwischen Trauer, Wut und Verständnislosigkeit. Leider war kein einziger Beitrag dabei, der mich weiterbrachte. Kein konkreter Hinweis, kein expliziter Verdacht.
Erst als ich den letzten Kommentar gelesen hatte, bemerkte ich die rote Eins am oberen Rand meines eigenen Accounts. Ich hatte eine private Nachricht in der In-Box.
Sie stammte von M. A. Thaunn, dem User, der gestern den merkwürdigen Satz
Hat Kathi den TOD gesucht, oder hat ER sie gefunden?
gepostet hatte. Ich klickte erneut den Namen an und gelangte auf das Profil. Daran hatte sich nichts geändert. Das hier führte zu nichts.
Ich las seine Nachricht an mich.
M. A. Thaunn 8 : 04
Sie versuchen, etwas über den Tod Ihrer Nichte herauszufinden? Dann stellen Sie den falschen Leuten die falschen Fragen. So wird das nichts.
Andreas Winkelmann 10 : 30
M. A. Thaunn, wenn Sie etwas zu sagen haben, dann legen Sie los. Auf blöde Kommentare kann ich gut verzichten.
Kaum hatte ich die persönliche Nachricht wieder geschlossen, leuchtete wieder eine Eins am Bildschirmrand auf.
M. A. Thaunn 10 : 32
Warum so unfreundlich, Herr Schriftsteller? Ich will nur helfen.
Er wollte also mit mir kommunizieren. Mein Herz begann schneller zu schlagen.
Andreas Winkelmann 10 : 32
Und wie wollen Sie helfen? Kannten Sie Kathi? Sind Sie die richtige Person, der ich die richtigen Fragen stellen muss?
M. A. Thaunn 10 : 32
Auf jeden Fall weiß ich mehr als Sie.
Andreas Winkelmann 10 : 33
Dann reden Sie.
M. A. Thaunn 10 : 33
Sie haben keine Ahnung von Facebook, oder? Ich könnte mich auch vor die Tür stellen und die Leute anschreien, dass wäre dann genauso privat wie hier.
Andreas Winkelmann 10 : 33
Das ist doch nur eine Ausrede. Nur ich kann meine persönlichen Nachrichten lesen.
M. A. Thaunn 10 : 33
LOL . Jeder Hacker oder Programmierer, der es wirklich will, kann hier mitlesen. Wenn Sie auch nur ein einziges Mal eine Grußkarte von hier verschickt haben, haben Sie sogar praktisch dazu eingeladen. Hören Sie, Herr Schriftsteller, ich will Ihnen keinen Nachhilfeunterricht in Datensicherheit erteilen. Es geht um etwas anderes. Etwas, das so groß ist, dass Sie es sich nicht vorstellen können. Aber über diese Plattform laufen keine Informationen. Auf keinen Fall.
Andreas Winkelmann 10 : 34
Dann schreiben Sie mir bitte eine Mail.
M. A. Thaunn 10 : 34
Sie machen sich lächerlich. Also, passen Sie auf. Wenn Sie wissen wollen, was hinter Kathis Tod steckt, dann müssen wir uns treffen. Zwei Leute, vier Ohren, vier Augen. Auf die altmodische Art. Kein Internet.
Andreas Winkelmann 10 : 34
Okay, wann und wo?
M. A. Thaunn 10 : 34
Morgen Abend.
Andreas Winkelmann 10 : 34
Warum nicht heute?
M. A. Thaunn 10 : 35
Nein, heute auf gar keinen Fall.
Andreas Winkelmann 10 : 35
Und wo?
M. A. Thaunn 10 : 35
Wenn Sie wirklich glauben, ich schreib das hier rein, dann haben Sie nichts verstanden. Und eines will ich Ihnen gleich sagen: Sie lassen sich auf etwas ein, das sehr gefährlich werden könnte für Sie.
Andreas Winkelmann 10 : 36
Wissen Sie was? Ich glaube, Sie wollen sich nur aufspielen. Stehlen Sie mir bitte nicht meine Zeit. Entweder wir treffen uns heute, oder Sie können mich mal.
M. A. Thaunn 10 : 36
Vertrauen Sie mir. Bitte. Ich treffe Sie morgen Abend, versprochen. Es muss unbedingt morgen sein. Ich lasse Ihnen morgen um diese Zeit eine sichere Handynummer zukommen. Sie rufen mich an, und wir verabreden einen Treffpunkt. Es geht nur so, alles andere ist viel zu gefährlich.
I n seiner Hosentasche summte leise sein Handy und meldete den Eingang einer SMS . Tommy warf einen raschen Blick zum Lehrerpult. Dr. Hesse hatte nichts bemerkt.
Tommy zog das Handy unter dem Tisch hervor und checkte die SMS . Sie stammte wieder von der Mobilnummer, die er nicht kannte und unter der sich niemand meldete.
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