Deathbook (German Edition)
erzählen.
Wenn sie ihm auch nicht bei der Halterabfrage behilflich sein konnte, wollte sie jetzt aber dennoch wissen, ob an seiner Vermutung, seine Nichte habe sich nicht selbst das Leben genommen, etwas dran war.
Manuela kannte natürlich weder die Ermittlungsergebnisse noch den zuständigen Beamten in der Dienststelle, die sich mit der Sache befasst hatte. Aber sie kannte mittlerweile eine Menge Leute im Polizeiapparat. Einer von ihnen, Tim Lietzow, würde ihr sicher behilflich sein. Tim unterrichtete zeitweise Einsatzlehre an der Akademie, war aber hauptsächlich als Kommissar im Fachbereich Mord tätig. Wenn er nicht ihr Lehrer wäre, wäre Manuela eventuell mit ihm im Bett gelandet. Die Chemie stimmte jedenfalls.
Bevor sie ins Seminar ging, wollte sie bei ihm vorbeischauen. Sie wusste, dass er heute Vorträge vor den Neuen im ersten Studienjahr hielt. Um diese Zeit würde er in seinem Büro den Unterricht vorbereiten.
Die Tür zum Büro stand offen.
Manuela klopfte an den Rahmen und wünschte einen guten Morgen.
Tim erhob sich von seinem Platz.
«Meine Lieblingsstudentin, guten Morgen. Wie geht’s?»
Sie schüttelten sich die Hände. Tim war circa zehn Zentimeter größer als sie. Neben ihm kam sich Manuela mit ihren eins dreiundsechzig nicht allzu winzig vor. Er hatte eine athletische Figur, dunkelbraunes Haar und braune Augen. In seinen Augenwinkeln blitzten bei der Begrüßung die Lachfalten auf.
«Danke, ganz gut. Wenn ich mich reinhänge, werde ich vielleicht Klassenbeste.»
«Nichts anderes erwarte ich. Was kann ich für Sie tun? Wir hatten keinen Termin für heute, oder?»
Manuela schüttelte den Kopf. «Nein. Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten. Halb privat, halb dienstlich.»
«Setzen Sie sich», sagte er und zeigte auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. Aktenordner stapelten sich darauf. Manuela legte sie kurzerhand auf den Boden. Sie setzte sich auf die vordere Kante des Stuhls, so wie sie es meistens tat – immer auf dem Sprung. Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht und räusperte sich.
Tim Lietzow sah sie lächelnd an.
«Na los, raus damit. Solange ich nicht gegen das Gesetz verstoßen muss, bin ich zu fast allem bereit.»
Manuela erklärte ihm die Situation.
Am Ende nickte er. «Ich habe schon von dem Schriftsteller gehört. Er kommt ja aus der Region. Ziemlich tragische Sache. Wenn ich Sie richtig verstehe, soll ich bei der zuständigen Dienststelle ein paar Informationen einholen, richtig?»
«Würden Sie das tun? Das wäre wirklich toll!»
«Fragen kostet nichts, aber ich kann dort nicht die Ermittlungen beeinflussen. Das ist Ihnen hoffentlich klar.»
«Ja, natürlich, das ist mir klar.»
«Sie wissen, dass wahrscheinlich sowieso nichts dabei herauskommt. Es ist eine ganz normale Reaktion von Angehörigen, einen Suizid kategorisch auszuschließen. Viele versteigen sich eher in Mord- oder Verschwörungstheorien, ehe sie sich eingestehen, dass ein Mensch, den sie zu kennen glaubten, dazu in der Lage war, sich umzubringen.»
Manuela presste die Lippen zusammen und nickte.
«Ich weiß. Aber ich würde Andreas diesen Gefallen gern tun. Vielleicht macht es die Sache für ihn leichter, wenn ich ihm sage, dass es Selbstmord war. Ich glaube, er vertraut mir.»
«Gut, ich sehe, was ich tun kann. Sobald mein Unterricht für heute vorbei ist, werde ich ein bisschen telefonieren. Ist das in Ordnung?»
Manuela sprang vom Stuhl auf und strahlte.
«Absolut. Vielen Dank.»
I ch öffnete mein Facebook-Profil und scrollte zu meiner letzten Statusmeldung, meinem Aufruf zur Mithilfe. Ich erwartete nichts und wurde überrascht: Ein Rattenschwanz von 47 Kommentaren hing an dem Post.
Noch vor einem Jahr war ich kein Mitglied bei Facebook gewesen, und hätte mein Verlag mich nicht dazu genötigt, wäre ich es wohl heute noch nicht. Anfangs hatte ich es fast ausschließlich genutzt, um über meine Bücher, meine Lesungen und hin und wieder über meine Arbeit zu berichten. In den letzten Monaten war noch Twitter hinzugekommen, und der Kontakt zu meinen Leserinnen und Lesern übers Internet hatte sich verstärkt. Ich war immer wieder überrascht, wie lebendig und abwechslungsreich der Alltag eines Schriftstellers durch die sozialen Netzwerke wurde.
Aber 47 Kommentare auf einen Post hatte ich bisher noch nie gehabt.
Ich begann zu lesen.
Viele nutzten diesen Weg, um auszudrücken, dass sie ebenfalls nicht verstehen konnten, was mit Kathi geschehen war. Ein paar Leute
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