Deathbook (German Edition)
gestern hatte machen müssen, wäre es mir gar nicht aufgefallen. Aber hier war es genauso wie bei dem silbernen Verfolgerwagen: Suchte man danach, fand man sie plötzlich überall.
Ich zog mein Handy aus der Tasche, öffnete die Scan-App und fotografierte den Code durch die Glasscheibe hindurch ab. Groß genug dafür war er.
Der Code schickte mich auf die Internetseite des Supermarktes, auf dessen Parkplatz sich die Werbetafel befand. Wenn ich es gewollt hätte, hätte ich mir die neuesten Sonderangebote anschauen können. Ich löschte den Link. Nach kurzem Zögern rief ich Jan Krutisch an.
«Jan, hast du kurz Zeit?», fragte ich ihn.
«Wenn du herkommen kannst?»
«Sagen wir in dreißig Minuten?»
«Okay, bis dann.»
Die Entscheidung, auf dem Weg nach Achim einen kleinen Umweg zu machen und bei Jan vorbeizuschauen, hatte ich spontan getroffen. Mir war plötzlich klargeworden, wie wenig ich über QR -Codes wusste. Ich musste unbedingt mehr darüber herausfinden, denn für den Täter schienen sie von zentraler Bedeutung zu sein.
Ich aß auf, trank den Kaffee aus und verließ die Bäckerei. Auf dem Weg zu meinem Auto schaute ich mich um. Es standen mehrere silberne Wagen da, aber aus keinem wurde ich beobachtet. Zumindest bemerkte ich es nicht.
Jetzt kam es drauf an. Auf gar keinen Fall wollte ich die Polizei oder, schlimmer noch, den Täter auf Jan Krutischs Spur bringen. Ich musste meinen Schatten loswerden, bevor ich zu ihm fuhr.
Zwanzig Minuten später hielt ich in der Nähe des Hauses, in dem Jan wohnte. Von der Bäckerei bis dorthin war mir nicht ein einziges Mal ein verdächtiges Fahrzeug aufgefallen, weder ein silbernes noch eines in einer anderen Farbe, und das beunruhigte mich noch mehr. Entweder hatte ich mich anfangs getäuscht und wurde gar nicht verfolgt, oder aber mein Verfolger wechselte die Fahrzeuge.
Ich stieg aus, verriegelte den Wagen und machte mich auf den Weg. Dabei überquerte ich einen Kinderspielplatz und ging durch ein Kaufhaus, das mehrere Ein- und Ausgänge hatte. Ich sah mich ständig um, konnte aber niemand Verdächtiges entdecken.
Was ich aber sah, waren QR -Codes. Und zwar in großer Zahl.
Auf so gut wie jedem Plakat waren die kleinen schwarz-weißen Quadrate zu sehen. Ich fühlte mich von ihnen beobachtet. Ehrlich gesagt machten mir die Dinger Angst. Weil ich nicht wusste, was dahintersteckte.
Erst als ich absolut sicher war, keinen Schatten zu haben, betrat ich Jans Haus, stieg die Treppen in die dritte Etage hoch und klingelte bei ihm. Es dauerte eine Weile, bis er öffnete. Seine Augen waren klein und gerötet, so als hätte er seit Stunden auf einen Bildschirm gestarrt.
«Komm rein, aber es ist nicht aufgeräumt.»
Bei Jan hieß das: Es standen ein paar Tassen herum, und der Fußboden war nicht gesaugt. Er war weit entfernt von dem gängigen Klischee des Computer-Nerds, der zwischen Müllbergen vegetiert und hofft, bald ganz in der digitalen Welt verschwinden zu können.
«Wie kann ich dir helfen?», fragte er, ließ sich in einen bequemen Sessel fallen und deutete auf dessen Gegenstück.
Ich setzte mich ebenfalls. «Was weißt du über QR -Codes?»
Jan lehnte sich zurück und sah mich aus seinen müden Augen an. Die Frage schien ihn zu langweilen.
«Was weißt du denn darüber?», gab er die Frage zurück.
«Eigentlich nichts. Ich frage mich, ob man damit Menschen manipulieren kann.»
Jan grinste. «Du sprichst von Social-Engineering-Attacken, aber da geht es eher darum, menschliche Eigenschaften und Schwächen auszunutzen, um sich illegal Informationen zu beschaffen. Dafür sind QR -Codes allerdings bestens geeignet. Man könnte meinen, sie wurden nur zu diesem Zweck erfunden.»
«Das ist aber nicht der Fall, oder?»
Jan schüttelte den Kopf. «Der QR -Code wurde 1994 von der japanischen Firma Denso Wave für die Logistik in der Autoproduktion bei Toyota entwickelt. Heute wird er gern in der Werbung benutzt und hat sich deshalb rasant verbreitet. Kurz gesagt sind QR -Codes Anweisungen für Endgeräte, einen bestimmten Link aufzurufen. Sie sind also quasi das Sprungbrett von der Offline- in die Online-Welt.»
«Oder die Brücke vom realen ins virtuelle Leben.»
«So würde es ein Prosaschreiber wie du ausdrücken. Das Mobile-Tagging, also das Einlesen dieser Codes mit Hilfe eines Smartphones, ist heutzutage sehr beliebt, besonders in Japan. Das Problem ist: Man kann einem QR -Code nicht ansehen, auf welche Adresse sein Muster verweist. Und das haben
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