Deathkiss - Suess schmeckt die Rache
sie habe gehört, wie Shannon ihrem Mann den Tod wünschte. Liam bestätigte ihre Worte äußerst nachdrücklich und pries Ryan in den höchsten Tönen. Kevin war ruhiger, hatte Shannon jedoch dermaßen hasserfüllt angesehen, dass ihr schauderte, und Margaret, fromm wie immer, bebte wie Espenlaub und bekreuzigte sich wiederholt, während sie aussagte, die Ehe ihres einzigen Cousins sei zerrüttet gewesen.
Dass Ryan ihr gegenüber gewalttätig geworden war, hatten sie alle natürlich nicht gewusst. So etwas hätten sie ihm niemals zugetraut. Wie die meisten.
»Ihr Mann« – Paternos Stimme holte Shannon in die Gegenwart zurück – »arbeitete zusammen mit Ihren Brüdern bei der Feuerwehr von Santa Lucia.
»Ja.«
»Liam Carlyle auch?«
»Ja.«
»Und nach dem Brand, bei dem Ryan Carlyle ums Leben kam, trat nicht nur Liam aus, sondern auch Ihr Bruder Neville. Ein paar Wochen später war Neville dann verschwunden. Und Sie haben keine Ahnung, wo er ist?«
»Wie ich bereits sagte: nein. Ich wollte, ich wüsste es – ehrlich gesagt vermute ich, dass ihm etwas zugestoßen ist.«
»Ein Verbrechen?«
»An einem Tag ist er noch bei uns und verhält sich völlig normal, am nächsten ist er fort.« Sie schnippte mit den Fingern. »Einfach so.«
»Wie kann ein Mensch einfach verschwinden?«
»Gute Frage. Wenden Sie sich doch mal an die Familie von Jimmy Hoffa«, brauste sie auf, dann lehnte sie sich in ihrem Sessel zurück »Ich wüsste selbst gern, was passiert ist.« Ihr Blick wanderte zum Fenster, sie sah die dunkle Landschaft und ihr eigenes Spiegelbild in der Scheibe und sagte: »Ich wollte, er wäre hier.«
»Er hatte eine Lebensversicherung abgeschlossen. Sie sind die Hauptbegünstigte.«
»Die Versicherung hat nie gezahlt.«
»Trotzdem … Die Summe steht noch aus, nicht wahr?«
»Mag sein.«
»Und Sie haben den Löwenanteil von seinem Besitz erhalten?«
Sie nickte. »Neville war nicht verheiratet, hatte keine Kinder.«
»Aber er hat einen Zwillingsbruder, einen eineiigen Zwilling, und Sie sagten doch, dass die beiden einander sehr eng verbunden waren. Sie haben gelegentlich sogar die Leute hinters Licht geführt, indem sie ihre Identität tauschten.«
»Sie meinen, er hätte seinen Besitz Oliver hinterlassen müssen.«
»Ich ziehe Fäden, Ms Flannery.«
Shannon senkte den Kopf. »Ich weiß nicht, warum ich die Begünstigte bin, Detective. Vielleicht hat Neville gewusst, dass Oliver Geistlicher werden wollte«, sagte sie. Diese Frage hatte sie sich wieder und wieder gestellt. »Neville war kein übermäßig religiöser Mensch. Ich weiß es nicht. Alle meine Brüder haben mir gegenüber einen übertriebenen Beschützerinstinkt, schon immer. Ich bin die einzige Tochter der Familie und die Jüngste.«
»Nummer sechs.«
»Wie bitte?«
»Das sechste Kind.«
»Stimmt.« Wieder hatte sie das Gefühl, dass sich eine Veränderung in der Atmosphäre vollzog. Die feinen Härchen auf ihren Unterarmen richteten sich auf.
»Die Ziffer in den Symbolen, die bei Ihnen beziehungsweise am Brandort gefunden wurden, wo Mary Beth Flannery umgekommen ist.« Paterno zog zwei Blatt Papier mit jeweils einer Zeichnung aus seiner Tasche und reichte sie ihr. Die erste Zeichnung erkannte Shannon; es war das Symbol, das sie auf der angesengten Geburtsurkunde gesehen hatte. Die zweite – ein Stern, an dem ein Zacken fehlte, mit Ziffern und gestrichelten Linien – war ihr neu.
»Sie denken, die Sechs soll mich darstellen?«, fragte sie verblüfft. »Aber was soll das bedeuten?« Sie wartete die Antwort gar nicht erst ab. »Wenn ich die Nummer sechs bin, wer sind dann die anderen Ziffern?« Als sie versuchte, seiner Logik zu folgen, wurde ihr eiskalt. »Weitere Mitglieder meiner Familie?«
»Möglicherweise.«
»Aber wieso die gestrichelten Linien …? Warum stehe ich in der Mitte dieses Symbols?«, flüsterte sie und studierte die Zeichnungen, als könnte sie dadurch die Geheimnisse des Universums lüften oder doch zumindest die ihres eigenen Lebens und des Lebens der Menschen, die ihr nahestanden. Herrgott, diese Geschichte war unheimlich. »Ich verstehe nicht. Woher kommt das hier?«
»Wir haben dieses Symbol an zwei Stellen in Mary Beth Flannerys Haus gefunden. Einmal auf den Spiegel geschmiert, anscheinend mit Lippenstift, und ein weiteres Mal in der Klappe eines Rucksacks, der am Brandort zurückgelassen worden war. Travis Settler hat den Rucksack als den seiner Tochter identifiziert. Ihrer Tochter.«
»Wie
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