Deathkiss - Suess schmeckt die Rache
Redete sich ein, es sei ein Spiel, wie Mikado, was sie gern mit Allie Kramer spielte. Dabei ging es darum, ein Plastikstäbchen aus dem Haufen kreuz und quer übereinanderliegender Stäbchen herauszuziehen, ohne dass sich die übrigen bewegten. Sie war recht geschickt darin. Aber dies hier war etwas völlig anderes und ganz und gar kein Kinderspiel.
Sie wischte sich die schweißnassen Handflächen an den Hosenbeinen ab und konzentrierte sich mit angehaltenem Atem darauf, eine der stinkenden, zerdrückten Kippen aus dem vollen Behälter zu ziehen. Gerade als ihre Finger sich um einen Filter schlossen, zerriss ein lautes Dröhnen die Nacht, das Startgeräusch eines starken Motors. Das Licht zweier Scheinwerfer drang aus der offenen Garagentür. Dani fuhr vor Schreck zusammen, und schon prasselten Zigarettenstummel zu Boden – nicht zu übersehen!
Lieber Gott, sie hatte sich verraten!
Sie wollte sie gerade wieder aufsammeln und zurück in den Aschenbecher stopfen oder wenigstens unter den Sitz schieben, als ein schwarzer Pick-up aus der Garage schoss, dessen Scheinwerfer glühten wie die Augen eines Monsters.
Dani saß da wie erstarrt. Ihre Kopfhaut prickelte.
Ihr Entführer parkte den Pick-up auf der anderen Seite der Garage und lief über den Platz auf den Lieferwagen zu.
Danis Herz setzte einen Schlag aus.
O nein!
Er würde die verstreuten Zigarettenstummel sehen und sich denken können, was sie vorgehabt hatte!
Seine Schritte knirschten bedrohlich auf dem Kies.
Angst schnürte ihr die Kehle zu. Sie schob die Kippe in ihre Tasche und betete stumm, er möge nichts bemerken. Sie schwitzte vor Anspannung und Nervosität, zwang sich jedoch, weiterhin das zu Tode verängstigte kleine Mädchen zu spielen.
Was ihr in diesem Moment nicht schwerfiel.
Sie war kaum imstande zu atmen. Um jeden Preis musste sie verhindern, dass er sah, was sie angerichtet hatte.
Sie musste ihn ablenken!
Ihr Herz klopfte so laut, dass sie glaubte, er müsse es hören, und die Zigarettenkippe in ihrer Tasche fühlte sich bleischwer an. Oh, was für ein blöder Plan! Wenn er sie nun durchsuchte und das Handy fand!
Er stieg ein und warf ihr einen Blick zu, von dem ihr flau im Magen wurde. Dann drehte er wortlos den Zündschlüssel und fuhr bis an den Anfang des Feldwegs. Dort hielt er an, legte den Rückwärtsgang ein und steuerte den Lieferwagen in die verfallene Garage.
Dani wagte kaum zu atmen.
Sie hatte die entsetzliche Vorstellung, dass er sie dort zurücklassen würde. Sie an die Wagentür fesseln, knebeln und sie in dem dunklen, stinkenden Lieferwagen sterben lassen würde, bei dem toten Mädchen auf der Ladefläche.
O Gott!
Ihr Mund war staubtrocken.
Oder würde er sie mitnehmen?
Die Aussicht darauf war kaum weniger entsetzlich.
Sie hielt den Atem an und wartete.
Geschickt steuerte der Mann den Lieferwagen in die enge Garage. Als er auf die Bremse trat, erhellten die Bremsleuchten die kleine Garage mit einem gespenstischen roten Schimmer.
Mit einem zufriedenen Grunzen schaltete der Kerl in den Leerlauf und stellte den Motor ab. »Los, komm. Steig aus«, befahl er. Zugleich entriegelte er die Kindersicherung, durch die alle Türen außer der Fahrertür verschlossen gewesen waren. Als er diese öffnete, ging die Innenbeleuchtung an. Er wandte sich zu Dani um, und seine Augen wurden schmal. »Mach keine Dummheiten.« Dann stieg er aus, blieb im engen Zwischenraum zwischen Tür und Wand stehen und ließ den Blick durch das Wageninnere schweifen.
Dani erstarrte.
»Los, mach schon.« Er nahm seine Marlboro-Schachtel aus der Fahrerkabine, eine alte Tankquittung und einen Notizblock. Dabei bemerkte er die Zigarettenkippen auf dem Boden. »Scheiße, was ist das denn?«
Sein Blick glitt zu Dani, die vorgab, es nicht zu bemerken. Sie mühte sich zum Schein mit dem Türgriff ab, tat, als wollte sie sich abstützen, und trat ›versehentlich‹ gegen das Armaturenbrett, wobei sie den übervollen Aschenbecher anstieß. Weitere Stummel fielen heraus. »Ich kann nicht aussteigen«, jammerte sie. Ihr weinerlicher Tonfall war ihr selbst zuwider, sie spielte höchst ungern das klägliche, verängstigte Kind. Natürlich hatte sie Angst, aber dennoch wartete sie insgeheim nur auf eine Gelegenheit, ihren Peiniger dahin zu treten, wo es weh tat, und ihm die Augen auszukratzen.
»Himmel, du bist vielleicht blöd«, knurrte er und deutete auf die verräterischen Kippen. »Was hast du da angestellt? Wolltest du etwa fliehen?« Sein Lippen
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