Deathkiss - Suess schmeckt die Rache
weshalb Oliver sich ausgerechnet zum Priester berufen fühlte. Ihre Mutter jedoch war entzückt gewesen, einen Geistlichen in der Familie zu haben. Maureen schien in letzter Zeit nicht viel Freude am Leben zu haben, schon seit Jahren wurde sie immer deprimierter, und so fand Shea, wenn es sie glücklich machte, sollte Oliver doch ein gottverdammter Priester werden. Sein Gelübde ablegen, für den Rest seines Lebens dem Sex und der Sünde abschwören. Himmel, irgendwer musste ja mal aus der Familientradition – oder war es eher eine Obsession? – der Brandbekämpfung ausbrechen.
»Wenn Oliver mit den Ärzten geredet und erfahren hat, wie es um Shannon steht, spricht er mit Ma.«
»Das dürfte heiter werden«, bemerkte Shea. Es konnte der letzte Nagel zum Sarg ihrer Mutter sein. Nicht genug damit, dass ihre Söhne Draufgänger waren wie ihr Vater, nein, auch die Tochter geriet immer wieder in Schwierigkeiten. Das schien in der Familie zu liegen – der Fluch der Flannerys, wie Maureen O’Malley Flannery es nannte.
Sämtliche Flannerys hatten irgendwelche Leichen im Keller. Alle neigten dazu, Probleme heraufzubeschwören – welcher Art auch immer. »Wenn Shannon nur wieder gesund wird, dann ist alles andere unwichtig«, knurrte Shea.
»Das sagst du so.«
»Was soll das heißen?«
»Ich bin der Meinung, der Kerl, der hinter all dem steckt, muss dafür bezahlen, und zwar gehörig.«
»Das wird die Polizei besorgen«, sagte Shea.
»Ja, klar.« Robert schnaubte verächtlich. »Und ich werde vom Papst persönlich heiliggesprochen.«
»Hey, Flannery, kommst du endlich?«, rief Kaye Cuddahey Robert ungeduldig zu. Sie und Luis Santiago stiegen bereits in das Löschfahrzeug.
»Bis später«, verabschiedete sich Robert und lief zu seinen Kollegen hinüber. Sekunden später rumpelte das schwere Fahrzeug die Zufahrt entlang.
Shea schritt den Tatort ab, betrachtete den Schutt, versuchte sich vorzustellen, wie der Brand verlaufen sein könnte. Sobald die Überreste des Schuppens abgekühlt waren, würden er und ein paar Kollegen aus dem Kriminallabor sowie der Brandermittler der Feuerwehr die verkohlten Überreste durchsuchen, um genau festzustellen, was geschehen war. Vielleicht konnte auch Shannon etwas erklären oder Santana oder der andere Kerl, der Fremde. Wie hieß er gleich? Settler? Wer mochte er wohl sein?
Shea ging zurück zu seinem Pick-up, zog Überschuhe und Handschuhe an und nahm seine Taschenlampe mit. Er stieg über die Absperrung und trat durch die offene Tür in den Stall.
Als er den Lichtschalter betätigte, war das Gebäude augenblicklich in voller Länge von gleißendem Neonlicht erhellt. Sein Magen krampfte sich zusammen, als er die Blutlache am anderen Ende sah. Vorsichtig, um keine Spuren zu vernichten, ging er außen um das Gebäude herum, blieb am Tor stehen und betrachtete die dunkle, halbeingetrocknete Pfütze. Sämtliche Blutspuren waren verschmiert, hier war vermutlich kein Beweismaterial mehr zu finden.
Er ging in die Hocke, blickte die Stallgasse entlang und versuchte sich vorzustellen, was geschehen war. Wo waren die blutigen Hufabdrücke? Wenn die Pferde Shannon überrannt hätten, müssten sie Spuren hinterlassen haben. Doch die einzigen Abdrücke, die er sah, waren die von Schuhsohlen. Der Größe nach zu urteilen, handelte es sich um Männerschuhe.
Ihm wurde flau im Magen. Seine bösen Ahnungen schienen sich zu bestätigen. Da hörte er ein weiteres Fahrzeug näher kommen, und Scheinwerferlicht drang vom Hof her durch die Tür.
Die Spurensicherung war eingetroffen.
Vielleicht würden sie jetzt etwas Licht ins Dunkel bringen.
Von einer sonnengebleichten Bank auf der hinteren Veranda der Hütte aus beobachtete er den Sonnenaufgang. Dabei trank er Cola aus der Flasche. Trotz der frühen Stunde war es bereits sehr warm, ein heißer, trockener Wind strich über das hügelige Land, durch die trockenen Flussbetten und den Wald.
Über den Bergen im Osten flammte Licht auf, glühende Orange- und Goldtöne schoben den Vorhang der Nacht zurück und strahlten wie Feuer … immerzu Feuer.
Ein Hase hoppelte durch das Dornengestrüpp bei der heruntergekommenen Hütte, in der seit Jahrzehnten niemand mehr gewohnt hatte. In einer dürren Eiche krächzte eine Krähe. Über ihm krochen gerade die Wespen aus ihren Nestern unter der Dachrinne, um sich zu wärmen.
Hier war sein Zufluchtsort.
Ein Ort, den niemand kannte.
Nicht einmal jemand, der ihm nahestand.
Sofern man das von
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