Deathkiss - Suess schmeckt die Rache
von Löschwasser durchtränkten Überresten stiegen noch dünne Rauchfäden auf. Zum Glück schien keines der übrigen Gebäude betroffen zu sein: Stall, Hundezwinger und Garage, auch das Wohnhaus hatten wahrscheinlich durch den Rauch Schaden genommen, aber alles in allem hatte Shannon Glück gehabt, denn der Schuppen war das unbedeutendste von allen Wirtschaftsgebäuden. Der Tatort war weiträumig mit gelbem Flatterband abgesperrt, nicht einmal das Haus war zugänglich.
Shea schaltete den Motor ab, zog die Handbremse an und stieg leise fluchend aus dem Wagen. Diese Nacht hatte es in sich. Er stapfte über den aufgeweichten Boden, durch Kies, Schlamm und Unrat. Mehrere Feuerwehrleute waren noch damit beschäftigt, aufzuräumen und Gerätschaften in das letzte verbliebene Löschfahrzeug einzuladen.
Ein Ü-Wagen eines lokalen Nachrichtensenders und zwei Streifenwagen der Polizei standen in einem seltsamen Winkel zueinander zu beiden Seiten der Zufahrt, weit genug voneinander entfernt, dass die großen Löschzüge problemlos zwischen ihnen hindurchpassten.
Auch die Reporter packten bereits ein. Shea runzelte finster die Stirn bei dem Gedanken daran, dass die Medien sich auf diesen Fall stürzen würden. Zweifellos würden sie den Brand auf Shannons Grundstück zum Anlass nehmen, die Vergangenheit wieder ans Licht zu zerren, die Zeit, als Shannon Flannery wegen Mordes an ihrem Scheißkerl von Ehemann vor Gericht gestanden hatte. Ryan Carlyle … Shea knirschte mit den Zähnen. Das Schwein hatte bekommen, was es verdiente. Man sollte die ganze Geschichte endlich vergessen.
Seine Mutter könnte es nicht ertragen, den Skandal noch einmal zu durchleben.
»Scheiße«, knurrte Shea. Er ließ sich von den Polizisten, die bereits vor Ort waren, Bericht erstatten und erfuhr, dass Shannon ins Santa Lucia General Hospital gebracht worden war. Die Brandursache war noch unbekannt. Sie herauszufinden war seine Aufgabe – und die des Ermittlers von der Feuerwehr von Santa Lucia, die nicht nur für die Stadt, sondern auch für die umliegende Berglandschaft zuständig war.
Shea als Polizist war oft anderer Meinung als der Brandermittler der Feuerwehr. Dieser war seiner Ansicht nach ein anmaßender Spießer, dem es nur um Beförderung, gute Presse für sich selbst und medienwirksame Auftritte ging. Cameron Norris mochte die besten Abschlüsse in Kriminologie und Betriebswirtschaft vorzuweisen haben, aber von Bränden verstand er nun einmal nichts. Und der Blödmann hatte nie eingesehen, dass Shannon das Feuer, in dem ihr Mann umkam, nicht selbst gelegt hatte.
Zwei Cops bewachten das Grundstück und hielten die Leute fern, die in Scharen an den Ort des Geschehens strömten: Nachbarn, besorgte Freunde, Reporter und all die Gaffer, denen gar nicht bewusst zu sein schien, dass dies der Tatort eines Verbrechens war und die Spuren gesichert werden mussten. Alle wollten nur das Feuer sehen, diese wilde, alles vernichtende Bestie. Es faszinierte den Menschen, war wie ein lebendiges Wesen, das er zum Überleben brauchte und zugleich instinktiv fürchtete wie den Tod.
Shea zückte seine Dienstmarke. Die Kollegen warfen einen flüchtigen Blick darauf, nickten und setzten ihre Unterhaltung fort.
Als Shea über die Absperrung stieg, bemerkte ihn einer der Feuerwehrmänner, die Geräte in den Löschzug luden, und ließ seine Arbeit liegen.
Sein Bruder Robert.
Shea erkannte ihn selbst im Schutzanzug mühelos.
Patricks Söhne ähnelten ihm sämtlich, Robert jedoch war ihm, wie alle Verwandten fanden, ›wie aus dem Gesicht geschnitten‹. Er hatte sogar den gleichen raschen, sehr aufrechten Gang. »Was zum Teufel ist hier passiert?«, fragte Shea, sobald Robert in Hörweite war.
»Weiß nicht.« Robert löste den Kinnriemen, nahm seinen Schutzhelm ab und zog die Kapuze vom Kopf, unter der schweißnasses Haar und ein rußverschmiertes Gesicht zum Vorschein kamen. Robert war etwas kleiner als Shea, hatte aber das gleiche wellige, schwarze Haar, die strahlend blauen Augen und das kantige Kinn wie alle Flannery-Brüder. »Vor etwa einer Stunde ist ein Notruf eingegangen.« Er atmete tief durch und rieb sich den Nacken. »Mann, als ich Shannons Adresse gehört habe, hätte ich mir beinahe in die Hose gemacht.«
»Aber du hast sie nicht gesehen?«
»Nein. Sie soll ziemlich übel zugerichtet sein. Cuddahey hat sie flüchtig gesehen.« Er wandte sich zu dem Löschzug um, an dem Kaye Cuddahey mit einem Flansch beschäftigt war. Shea kannte sie.
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