Deathkiss - Suess schmeckt die Rache
Weise schön. Sehr blaue Augen, dichtes, schwarzes Haar, ein kantiges Kinn und ein schmaler, grausamer Mund.
Jetzt verstand Dani, was Frauen meinten, wenn sie einen Mann als ›teuflisch gutaussehend‹ bezeichneten. Dieser hier war tatsächlich ein Teufel.
Er nahm ein Ölfläschchen vom Kaminsims und begann, sich am gesamten Körper einzuölen, so dass seine gebräunte Haut im Feuerschein golden glänzte.
Der Mann schien selbstverliebt bis zur Besessenheit.
Jetzt brannte das Feuer hell, gierige Flammen tanzen und prasselten. Er lächelte sein Spiegelbild an und berührte sich … da unten.
Widerlich!
Beim ersten Mal hatte Dani gedacht, er wolle onanieren, und beschlossen, dass sie das nicht mit ansehen musste!
Doch stattdessen pinkelte er ins Feuer. Dabei wandte er den Blick vom Spiegel zu dem Urinstrahl, der zischend in die Flammen traf.
Der Geruch zog zu Dani hinüber, und ihr wurde übel.
Doch sie biss die Zähne zusammen, entschlossen, bis zum Ende zuzusehen, in der Hoffnung, zu begreifen, was mit ihm los war.
Sobald er gepinkelt hatte, war das Ritual beendet.
Einfach so.
So langsam, wie er sich ausgezogen hatte, so eilig schlüpfte er jetzt wieder in seine Kleider, beinahe, als müsse er die verlorene Zeit aufholen. Das Feuer erlosch, nur Reste rotglühender Kohle glommen noch in der Asche, als er sein Hemd überstreifte und die Hose hochzog.
Dani schlich zurück zu ihrer Pritsche, stellte sich schlafend und betete, er möge nicht erkennen, dass sie wach war. Sie wusste, dass er nach ihr sehen würde, denn das tat er jeden Abend. Er öffnete die Tür so weit, dass Licht auf ihr Gesicht fiel. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass er sie eine halbe Ewigkeit lang anstierte.
Sie gab jedes Mal vor zu schlafen, hielt die Augen geschlossen, aber nicht zu fest, den Mund leicht geöffnet und versuchte, regelmäßig zu atmen. Manchmal wälzte sie sich auch auf die andere Seite und seufzte wie im Schlaf. Dabei bebte sie die ganze Zeit innerlich, fürchtete, er könne von seiner Routine abweichen, an ihre Pritsche treten, sie anfassen …
Bei dem Gedanken wurde ihr ganz übel, doch sie zwang sich zu einer entspannten Haltung. Was auch immer geschah, sie musste ihre Rolle spielen, bis sich eine Gelegenheit bot, ihn außer Gefecht zu setzen oder wegzulaufen.
Bis jetzt hatte er nie einen Fuß in ihre Kammer gesetzt, schien sich nicht im Geringsten für sie zu interessieren.
Sie hatte immer noch keine Ahnung, wer er war, und jeder Versuch, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, war gescheitert.
Seit der Entführung hatte er kaum mit ihr gesprochen, nur ein paar knappe Befehle.
»Geh in dein Zimmer.«
»Was guckst du?«
»Iss und halt die verdammte Klappe.«
Zum Essen ließ er sie am Tisch sitzen, wo sie hinunterwürgte, was er ihr vorsetzte – Bohnen aus der Dose, Spaghetti aus der Dose, Eintopf aus der Dose. Er erhitzte die Konserven über dem Feuer, in das er jeden Abend hineinpisste. Bei dem Gedanken daran drehte sich Dani der Magen um, doch sie zwang sich zu essen, denn sie musste bei Kräften bleiben, wenn sie aus diesem grässlichen Gefängnis entkommen wollte. Zu trinken gab er ihr eine Flasche Wasser und manchmal auch eine Cola.
In der wenigen Zeit, die sie außerhalb ihrer Zelle verbringen durfte, versuchte sie sich die Hütte genau einzuprägen, hielt Ausschau nach möglichen Fluchtwegen, merkte sich die Lage der wenigen Fenster und der zwei Türen. Es gab weder einen Fernseher noch ein Telefon und auch keinen Strom. Die Hütte war baufällig, die Tür zu ihrer Kammer primitiv mit Haken und Öse verriegelt, die aussahen, als seien sie bereits vor einem halben Jahrhundert angebracht worden.
Wenn er sie herausließ, damit sie sich die Beine vertreten konnte, war er stets an ihrer Seite, hatte sie immer fest im Blick, jeden Muskel angespannt für den Fall, dass sie eine falsche Bewegung machte. Ein Fluchtversuch wäre zwecklos.
Dani hätte gern gewusst, wohin ihr Entführer jeden Abend nach seinem seltsamen Ritual verschwand. Er blieb stundenlang fort, kam oft erst am nächsten Tag zurück, als wohnte er woanders oder hätte einen Job, als führte er ein Doppelleben.
Er war ein Verrückter, so viel stand fest. Sie hörte, wie er sich zum Ausgehen fertigmachte. Auch das lief jeden Abend gleich ab: Zuerst verriegelte er die Tür ihrer elenden Kammer, dann hörte sie draußen die alten Dielenbretter der Veranda unter seinen Schritten ächzen, und ein paar Minuten später ertönte aus der Ferne das
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