Deathkiss - Suess schmeckt die Rache
Motorengeräusch.
Dani wusste, dass er den Pick-up ein Stück von der Hütte entfernt in einem alten Unterstand abseits der Straße abgestellt hatte. Sie hatte die windschiefe Bretterbude in der Nacht gesehen, als er sie hierher verschleppte. Seitdem war sie nur noch selten ins Freie gekommen, und wenn, dann unter strenger Bewachung. Während dieser wenigen kostbaren Minuten bemühte sie sich verzweifelt herauszufinden, wo sie war. Soweit sie wusste, befanden sie sich noch in Kalifornien. Sie waren durch Kleinstädte und Weinberge und durch das Valley of the Moon gefahren, mussten also irgendwo in der Gegend sein, die ihr Vater als ›Weinland‹ bezeichnete. Aber wo war das?
Von der Hütte aus waren keinerlei Motorengeräusche zu hören, folglich befanden sie sich fernab jeglicher Schnellstraße. Allerdings war Dani bereits mehrmals mitten in der Nacht vom Lärm eines vorüberdonnernden Zuges aufgewacht. Die Bahnlinie musste ganz in der Nähe verlaufen, denn die gesamte Hütte hatte gebebt, als der Zug vorbeifuhr.
Jetzt lag Dani schwitzend auf der Pritsche, fragte sich, wohin diese Züge fuhren, woher sie kamen, wie weit der nächste Bahnhof entfernt war. Und sie zählte die Sekunden, bis in der Ferne der Motor des Pick-ups ansprang. Angestrengt lauschend betete sie, dass er wirklich die ganze Nacht über fortblieb und nicht nur zum Wagen gegangen war, um irgendetwas zu holen.
Der Kerl sollte verschwinden, für immer. Sie würde hier nicht sterben, nein, sie würde diesem heißen, stickigen Gefängnis entkommen.
Sie brauchte lediglich Zeit, um ihren Plan auszuführen.
Viel Zeit.
Allein.
Endlich hörte sie, wie der Motor stotternd ansprang.
Gott sei Dank.
Dani entspannte sich. Sie hatte ein paar Stunden gewonnen. Sie wälzte sich von der Pritsche und kroch zielstrebig zu dem kleinen Schrank, in dem sie etwas entdeckt hatte, was hoffentlich ihre Rettung sein würde. Während ihre Augen sich allmählich an die Dunkelheit gewöhnten, tastete sie die Bodendielen ab, bis sie die eine verzogene Diele fand, aus der ein Nagel ein wenig herausstand.
Sie lächelte. Diese Kleinigkeit war dem Spinner entgangen; er dachte, in der Kammer sei sie sicher verwahrt. Irrtum, du Mistkerl!
Sie benutzte einen ihrer Socken als Handschuh, fasste den Kopf des Nagels und begann daran zu rütteln und zu ziehen, um das Nagelloch zu weiten in der Hoffnung, irgendwann diesen verrosteten alten Nagel aus dem morschen Holz zu lösen.
Schweiß trat ihr auf die Stirn.
Der Nagel stach durch die Socke, und sie legte den Baumwollstoff doppelt, spürte aber trotzdem noch die scharfen Kanten, die sich in ihre Finger gruben. Verbissen arbeitete sie weiter, ignorierte den Schmerz, selbst als ihre Finger zu bluten begannen.
Der Nagel, wenn sie ihn denn aus dem Boden lösen konnte, war ihr Schlüssel in die Freiheit.
»Mir ist es völlig gleich, wie du es anstellst – hol mich hier raus«, verlangte Shannon in ihrem Krankenhausbett.
Doch ihr Bruder Shea ließ sich nicht darauf ein. Er stand in der offenen Tür des kleinen Zimmers und schüttelte den Kopf. »Das halte ich für keine gute Idee.«
»Und wenn schon, tu’s einfach. Du bist schließlich bei der Polizei – lass deine Beziehungen spielen, mach den Leuten Druck, schüchtere sie meinetwegen ein, aber hol mich um Gottes willen hier raus.« Sie schwang die Beine über die Bettkante und gab sich Mühe, sich den Schmerz in Schulter und Rippen nicht anmerken zu lassen. Diese Verletzungen waren wohl die schlimmsten, schlimmer noch als die Platzwunde am jetzt teilweise rasierten Hinterkopf, die mit sieben Stichen genäht worden war.
Die Mahlzeit, die die Schwester ihr gebracht hatte – klare Brühe, roter Wackelpudding und ein mickriges Putenbrust-Sandwich –, hatte sie nicht angerührt. Ihr Hunger war augenblicklich vergessen, als sie von Travis Settler und seiner Tochter erfuhr. Nein, falsch, von ihrer Tochter.
»So geht das nicht«, widersprach Shea, aber sie ließ sich nicht damit abspeisen.
»Meinetwegen, dann begehe ich eben Fahnenflucht.« Sie ließ sich behutsam von der Bettkante gleiten und stellte fest, dass ihre Beine sie trugen.
»Shannon, sei doch vernünftig.«
»Jetzt hör mir mal zu, ja? Die Ermittler haben mir verraten, dass der Mann, der mir während des Brandes über den Weg gelaufen ist, der Adoptivvater meiner Tochter ist. Angeblich ist das Mädchen verschwunden.«
»Ja, das stimmt.«
»Und warum hast du mir nichts davon gesagt?«
»Ich wollte damit bis
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