Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
die Hände in den Taschen. Als er sich bewegte, glitzerte das Licht der Straßenlampe auf seinem hellen Haar.
In diesem Moment spürte sie seine Furcht. Beinahe greifbar und intensiv, umgab sie ihn wie eine dichte Wolke.
Sie hatte sie schon früher des öfteren gespürt, wie eine verborgene Unterströmung - hatte auch sein Bemühen gespürt, sie in Schach zu halten. Was hatte diese Explosion nackter Angst ausgelöst? Madeleine zögerte. Ihr Drang zu helfen stritt mit ihrer Müdigkeit und dem Wunsch allein zu sein. Dann schämte sie sich. Sie war nach lebenslanger Flucht mit der Absicht in dieses Dorf gekommen, alle Hilfe anzubieten, die sie dank ihrer Gaben vielleicht geben konnte, und dieses egoistische Verlangen, sich zurückzuziehen, mußte mit Disziplin besiegt werden.
Ganz gleich, was Geoff in diesen Zustand der Angst versetzt hatte, er war zu ihr gekommen, um Hilfe zu suchen, und sie durfte sich ihm jetzt nicht verweigern. Sie sperrte die Tür wieder auf, um ihn zu rufen, aber er war in den Schatten verschwunden.
Als sich auf sein Klopfen an Gemmas Zimmertür nichts rührte, kehrte Kincaid in sein eigenes Zimmer zurück und kritzelte ein paar Worte auf einen Zettel, um ihr mitzuteilen, daß er in der Bar sei und Deveney sie dort zum Essen treffen würde. Er schob den Zettel unter ihrer Tür durch und wartete einen Moment, immer noch in der Hoffnung auf ein Gespräch mit ihr; als alles still blieb, wandte er sich ab und ging langsam nach unten.
Er und Nick Deveney hatten einen wenig produktiven Nachmittag in der Dienststelle in Guildford verbracht. Sie hatten Berichte gelesen und mit den Medien einige kleinere Scharmützel ausgetauscht - geblieben war nichts als ein Nachgeschmack von Frustration.
»Ein Bier bitte, Brian«, sagte er, als er sich auf den einzigen freien Hocker setzte. »Ganz schön voll für Donnerstag abend«, bemerkte er, als Brian das Glas vor ihn hinstellte.
»Das macht das scheußliche Wetter«, erwiderte Brian, während er für einen anderen Gast ein Bier zapfte. »Das ist immer gut fürs Geschäft.«
Mit Einbruch der Dunkelheit hatte es heftig zu regnen begonnen, doch Kincaid hatte den Verdacht, daß nicht nur das Wetter die Leute an diesem Abend ins Pub getrieben hatte, sondern vor allem die Aussicht auf den neuesten Klatsch. Der Atmosphäre allerdings tat das gut. Ein leeres Pub war immer irgendwie trist. Lebendig wurde es erst durch die Menschen und das Gewirr ihrer Stimmen. Dies war für ihn die erste Gelegenheit, um sich über das Moon unter normalen Verhältnissen ein Urteil zu bilden. Und was er sah, als er sich auf seinem Hocker langsam herumdrehte, gefiel ihm: behaglich, ohne allzuviel Schnickschnack. Mit Plüsch bezogene Sessel und Bänke, eine tiefe Decke mit dunklen Holzbalken, hier und dort etwas Messing, ein paar Kupfertöpfe im Speiseraum, bunte Vorhänge, die die Nacht fernhielten, und ein offenes Holzfeuer im Kamin, das Wärme und Licht verbreitete.
Ein Mann in einer Öljacke drängte sich zwischen Kincaid und den Nachbarhocker und hielt Brian sein leeres Glas hin. Er sprach ohne Einleitung, so als setzte er ein begonnenes Gespräch fort: »Na, er mag ja ein altes Ekel gewesen sein, Bri, aber daß es dazu kommen würde, hätt’ ich nicht gedacht.« Er schüttelte den Kopf. »Nicht mal in seinem eigenen Bett kann man sich heutzutage mehr sicher fühlen.«
Brian warf unwillkürlich einen raschen Blick auf Kincaid, dann sagte er, während er dem Mann das Bier zapfte, in neutralem Ton: »Er hat nicht in seinem Bett gelegen, Reggie, ich glaube also nicht, daß wir vorm Schlafengehen Angst haben müssen.« Er wischte den übergelaufenen Schaum vom Glas und schob es über den Tresen, ehe er mit einem Nicken zu Kincaid hinzufügte: »Das ist Superintendent Kincaid. Er ist extra aus London gekommen, um den Fall zu klären.«
Der Mann grüßte Kincaid mit einem brüsken Nicken und brummte etwas, das wie >Als wären unsere Leute nicht gut genug< klang, ehe er zu seinem Tisch zurückkehrte.
Brian beugte sich über die Bar und sagte ernsthaft: »Kümmern Sie sich nicht um Reggie, Der hat an allem was auszusetzen.« Doch das Stimmengewirr rundherum war versiegt, und Kincaid merkte sehr wohl, daß er das Ziel zahlreicher neugieriger und mißtrauischer Blicke war.
Es war eine Erleichterung, als endlich Deveney eintraf, der einen Moment an der Tür stehenblieb, um seine Regenmütze auszuschütteln und in die Manteltasche zu
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