Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
hinausbrauste. Im Vorbeifahren nickte sie ihnen noch einmal zu, schoß rückwärts auf die Straße und raste dann in Richtung Dorf davon.
»Kein Wunder, daß sie immer wieder im Graben landet«, bemerkte Deveney lachend. Obwohl die Sonne während ihres Besuchs herausgekommen war, lag noch immer ein Schleier von Feuchtigkeit über dem Garten. Schwer hingen die bronzefarbenen Köpfe von Hortensien in den Weg und hinterließen nasse Streifen an den Hosenbeinen der beiden Männer.
»Was sollte das Ihrer Meinung nach?« fragte Deveney. »Sie hat doch genau gewußt, daß nach Gilberts Tod die Schweigepflicht für sie nicht mehr besteht.«
Kincaid stieß das Gartentor auf. Neben dem Auto blieb er stehen und drehte sich nach Deveney um. »Aber Claire Gilbert ist immer noch ihre Patientin, und ich glaube, sie besteht auf ihrer Schweigepflicht, weil es hier in Wirklichkeit um Claire Gilbert geht.«
»Sie hätte uns doch einfach erzählen können, daß er wegen seines Gesundheitszustands bei ihr war«, meinte Deveney, »und wir hätten das anstandslos geschluckt.«
Kincaid öffnete die Wagentür und setzte sich auf den Beifahrersitz. Das ganze Gespräch war irgendwie schief gelaufen. »Ich glaube, die gute Dr. Wilson ist ehrlicher als ihr selbst manchmal lieb ist, Nick«, sagte er, als Deveney zu ihm ins Auto stieg. »Sie hat es nicht geschafft, uns einfach ins Gesicht zu lügen.«
Die nächste auf ihrer Liste der Diebstahlgeschädigten war Madeleine Wade, die Inhaberin des Dorfladens. Sie fuhren durch die Ortsmitte, an der Autowerkstatt vorbei, und fanden, nachdem sie sich einmal kurz verfranzt hatten, den Laden ziemlich versteckt in einer Sackgasse am Hügelhang. Vor dem Fenster waren Obst und Gemüse in offenen Kästen ausgelegt: köstlich duftende spanische Klementinen, Gurken,Lauch, Äpfel und die unvermeidlichen Kartoffeln.
Nick Deveney suchte sich aus einer Apfelkiste einen kleinen rotbackigen Apfel aus und polierte ihn an seinem Mantelärmel. Ein Glöckchen bimmelte, als sie in den kleinen Geschäftsraum traten, und das Mädchen hinter der Theke sah von ihrer Zeitschrift auf.
»Was kann ich für Sie tun?« fragte sie. Ihre weiche Aussprache hatte einen schottischen Anklang. Glattes helles Haar umrahmte ein zartes Gesicht, und sie sah die beiden Männer mit so ernster Aufmerksamkeit an, als wäre ihre Frage nicht nur Routine gewesen. Die Arme unter den kurzen Ärmeln ihres Strickpullis wirkten dünn und ungeschützt. Sie schien im gleichen Alter zu sein wie Lucy Penmaric und erinnerte Kincaid an seine geschiedene Frau.
Im Laden roch es schwach nach Kaffee und Schokolade. Er war für seine Größe sehr gut sortiert, selbst eine kleine Gefriertruhe gab es, die mit Gerichten guter Qualität gefüllt war.
Während Deveney dem Mädchen seinen Apfel reichte, um ihn wiegen zu lassen, und das Kleingeld aus seiner Hosentasche kramte, blätterte Kincaid in seinem Notizbuch und nahm dann, als die Transaktion zwischen den beiden beendet war, Deveneys Platz vor der Theke ein.
»Wir suchen Madeleine Wade, die Eigentümerin. Ist sie hier?«
»Oh ja«, antwortete das Mädchen mit einem schüchternen Lächeln. »Madeleine ist oben in ihrem Studio, aber ich glaube, im Moment hat sie gerade keinen Klienten.«
»Keinen Klienten?« wiederholte Kincaid verblüfft und fragte sich verwundert, ob die Ladeninhaberin ein Doppelleben als Dorfprostituierte führte. Er hatte schon merkwürdigere Kombinationen erlebt.
Das Mädchen tippte auf eine Karte, die mit Tesafilm an der Theke befestigt war. »Reflexzonentherapie, Aromatherapie und Massage«, stand in gestochener Schrift darauf, und darunter, »nur nach Vereinbarung« mit einer Telefonnummer.
»Ach so«, sagte Kincaid. »Eine richtige Unternehmerin, hm?«
Das Mädchen sah ihn einen Moment verständnislos an, dann sagte sie: »Gehen Sie einfach um die Ecke und klingeln Sie.«
Kincaid beugte sich ein wenig über die Theke und sagte: »Gehen Sie noch zur Schule?«
Das Mädchen errötete bis unter die Haarwurzeln und antwortete scheu: »Nein, Sir, ich habe letztes Jahr meinen Abschluß gemacht.«
»Kennen Sie dann Lucy Penmaric?«
Diese Frage schien sie weniger einschüchternd zu finden und sagte etwas lauter: »Ja, natürlich, aber wir haben nichts miteinander zu tun, wenn Sie das meinen. Sie war nie viel mit den Dorfkindern zusammen.«
»Sie ist wohl eingebildet?« fragte Kincaid in einem Ton,
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