Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
rieb sich das Gesicht. »Entschuldigung, Entschuldigung!« sagte sie. »Das war boshaft von mir. Ich bin überzeugt, er hat es gut gemeint.«
»Sie haben ihn nicht gemocht«, meinte Kincaid behutsam.
Sie schüttelte bedauernd den Kopf. »Nein, ich muß es leider zugeben. Aber ich habe mich bemüht, wirklich. Andere vorschnell zu verurteilen, gehört zu meinen schlimmsten Fehlern . . .«
»Und darum geben Sie sich, wenn Sie jemanden nicht mögen, die größte Mühe, Gutes an ihm zu finden?« Kincaid lächelte verständnisvoll.
»Genau. Und ich glaube, Alastair verstand es glänzend, aus meiner Schwäche Kapital zu schlagen.«
»Inwiefern?« Aus dem Augenwinkel bemerkte Kincaid Deveneys Ungeduld, aber er war nicht bereit, sich hetzen zu lassen.
»Ach, na ja ... er mußte bei den Festgottesdiensten die Bibeltexte lesen, er mußte bei besonderen Anlässen die Feierlichkeiten eröffnen, und solche Dinge eben ...«
»Also, Dinge, die was hermachen, aber keine besondere Mühe kosten?« erkundigte sich Kincaid ironisch.
»Genau. Daß Alastair mal sammeln gegangen wäre oder nach einer Gemeindeversammlung die Teetassen abgespült hätte, war undenkbar. Frauensache.« Rebecca Fielding hielt inne. Ihr Gesicht überzog sich mit einer feinen Röte, und sie starrte unverwandt auf ihre Hände, die sie auf dem Tisch gefaltet hatte. »Um ganz ehrlich zu sein, ich glaube, Alastair hatte was gegen mich, auch wenn er es nie direkt ausgesprochen hat. Wahrscheinlich ist das einer der Gründe, warum ich mir immer große Mühe gegeben habe, fair zu sein ... um mir selbst zu beweisen, daß ich über kleinliche Rache erhaben bin.«
»Na, das ist doch eine verzeihliche Eitelkeit«, meinte Kincaid.
Sie hob den Kopf und sah ihn an. »Vielleicht. Aber es war nicht sehr taktvoll von mir, so unverblümt über ihn zu sprechen. Was ihm zugestoßen ist, ist schrecklich, und ich möchte nicht, daß Sie den Eindruck gewinnen, es ginge mir nicht nahe.«
»Unglücklicherweise macht einen ein gewaltsamer Tod nicht automatisch zum Heiligen, so sehr wir das vielleicht auch wünschen«, erwiderte Kincaid trocken.
»Miss Fielding - äh - Frau Pfarrerin«, sagte Deveney, »um noch mal auf die Diebstähle zurückzukommen. In Ihrer Anzeige steht nichts davon, daß Sie Spuren gewaltsamen Eindringens bemerkt haben. Könnten Sie uns möglichst genau berichten, was damals geschehen ist?«
Rebecca Fielding schloß einen Moment die Augen, als wollte sie den Tag wieder heraufbeschwören. »Es war ein wunderschöner warmer Abend, und ich hatte vorn im Garten gearbeitet. Als ich ins Haus ging, fiel mir auf, daß die Hintertür angelehnt war, aber ich habe mir nichts dabei gedacht - ich sperre nie ab, und die Tür hat ein ziemlich strenges Schloß. Erst später, als ich mich zum Abendessen umgezogen habe, ist mir aufgefallen, daß meine Perlenohrringe weg waren.«
»Und Sie wußten genau, daß Sie sie nicht selbst verlegt hatten?« fragte Kincaid.
»Ja. Ich bin ein Gewohnheitstier, Superintendent, und ich lege sie immer sofort in den Schmuckkasten, wenn ich sie abnehme. Ich hatte sie zwei Tage vorher das letzte Mal getragen.«
»Hat sonst noch etwas gefehlt?« Deveney hielt sein Heft auf dem Schoß, den Kugelschreiber gezückt.
Stirnrunzelnd rieb sich Rebecca Fielding die Nasenspitze. »Nur ein paar Kindheitserinnerungen. Ein silbernes Armband mit Anhängern und ein paar Schulmedaillen. Es war wirklich reichlich sonderbar.«
Kincaid neigte sich zu ihr. »Und Sie haben niemand Verdächtigen in der Nähe des Hauses gesehen?«
»Ich habe überhaupt niemanden gesehen, ob verdächtig oder nicht. Tut mir leid. Ich bin wahrscheinlich ein richtiger Reinfall für Sie.« Sie sah ehrlich bekümmert aus, und Kincaid beeilte sich, sie zu beruhigen.
»Aber nein«, versicherte er und schob seinen Stuhl zurück, um aufzustehen. »Auf jeden Fall hatte ich so Gelegenheit, mir die Kirche anzusehen. Sie ist ein echtes kleines Schmuckstück, nicht wahr?«
»Sie wurde von G. E. Street erbaut, dem Architekten, der die Londoner Gerichtshöfe entworfen hat«, sagte Rebecca Fielding, als sie sie in den Korridor hinausführte. »Sie ist ein sehr gelungenes Beispiel viktorianischer Baukunst, wenn auch ihre Geschichte recht traurig ist. Street hatte sie offenbar seiner Frau als Geschenk zugedacht, aber sie starb kurz nachdem der Bau fertiggestellt wurde.«
Sie hatten das Portal erreicht, und
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