Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
nicht.«
»Könnten Sie die Zeit am Mittwoch abend eventuell schätzen, Mr. Bainbridge?« fragte Kincaid, bemüht, die Geduld zu bewahren.
»Ich kann Ihnen sagen, daß nicht allzu lange danach die ersten Polizeifahrzeuge bei den Gilberts vorfuhren.« Bainbridge schlang seine langen dünnen Finger um den Hals der Sherrykaraffe, die er neben sich stehen hatte. »Möchten Sie noch einen Sherry, Superintendent? Sie, Chief Inspector? Nein? Nun, Sie haben nichts dagegen, wenn ich mir noch einmal einschenke, wie?« Er goß sich ein großzügiges Maß ein und trank. »Seit ich im Ruhestand bin, bin ich direkt zum Kenner geworden. Ich habe sogar ein paar Flaschenregale in die Speisekammer einbauen lassen - der junge Geoffrey hat mir dabei geholfen -, da das Häuschen keinen Keller hat.«
Kincaid schwitzte. Die Hitze im Zimmer und der Sherry setzten ihm zu, und er verspürte ganz unerwartet eine Anwandlung von Klaustrophobie. »Mr. Bainbridge«, sagte er in dem Wunsch, dieses Gespräch so schnell wie möglich abzuschließen, »wir haben noch einige Fragen wegen des Diebstahls, den Sie ...«
»Nun erzählen Sie mir nur nicht, daß Sie auch an dieses Märchen vom Einbrecher glauben! Nein, nein, nein, sage ich Ihnen. Das ist absoluter Unsinn.« Rote Flecken erschienen auf Percy Bainbridges Wangen, und die Knöchel der Hand, die den Stiel des Sherryglases umfaßt hielt, wurden weiß. »Ich habe sie gestern abend im Pub gehört, diese Narren. Sie glauben doch nicht im Ernst, daß irgend ein Fremder im Dorf aufgetaucht ist und ganz zufällig dem Commander eins über den Schädel gegeben hat, Superintendent?«
»Ich gebe zu, es ist nicht sehr wahrscheinlich, Mr. Bainbridge, aber wir müssen jeden ...«
»Warum in die Ferne schweifen, kann ich da nur sagen. Oh, sie ist eine ganz beherrschte, diese Claire Gilbert. Sieht aus, als könnte sie kein Wässerchen trüben. Aber ich kann Ihnen sagen«, er beugte sich ihnen entgegen und legte einen Finger an seine Nase, »daß unsere Mrs. Gilbert kein Unschuldsengel ist. Ich an Ihrer Stelle würde mich einmal dafür interessieren, was sie eigentlich mit ihrem Geschäftspartner so treibt. Das habe ich übrigens vor nicht allzu langer Zeit auch Commander Gilbert geraten.«
»Ach was?« Kincaid vergaß die klaustrophobischen Anwandlungen. »Und wie hat der Commander Ihren Rat aufgenommen?«
Bainbridge lehnte sich wieder zurück. »Oh, er war mir durchaus dankbar. So von Mann zu Mann, wissen Sie.«
Kincaid senkte die Stimme zu vertraulichem Ton. »Ich wußte gar nicht, daß Sie mit Alastair Gilbert auf so freundschaftlichem Fuß standen. Sie haben sich wohl gut verstanden?«
»Aber ja, gewiß doch«, antwortete Bainbridge strahlend. »Meiner Ansicht nach ist der Commander von diesem Plebs im Dorfvöllig mißverstanden worden, Superintendent. Er war ein zielstrebiger Mann, der genau wußte, was er wollte, ein Mann von Bedeutung. Und ich glaube, er hatte einen Blick für seinesgleichen.« Wieder zwinkerte Bainbridge wie ein alter Verschwörer und kippte dann seinen Sherry in einem Zug.
»Hat der Commander von Ihnen nicht verlangt, Ihre Unterstellungen bezüglich seiner Frau zu untermauern?« fragte Kincaid mit Schärfe.
»Oh, nein, so war es überhaupt nicht.« Bainbridge schüttelte entrüstet den Kopf. »Ich habe lediglich meiner Besorgnis darüber Ausdruck gegeben, daß seine Frau soviel Zeit in Gesellschaft eines solchen Mannes verbrachte. Ich meine, was tun denn diese beiden den lieben langen Tag hindurch? Es ist ja schließlich nicht so, als wäre das eine reguläre Arbeit, nicht wahr, Superintendent?« Um die Wirkung des Sherrys auf seine Zungenfertigkeit auszugleichen, artikulierte er mit absurder Präzision.
»Und was für einen Beruf hatten Sie, bevor Sie in den Ruhestand gegangen sind, Mr. Bainbridge?« erkundigte sich Kincaid.
»Ich war Lehrer, Sir. Mir oblag es, den Geist und die Moral junger Menschen zu formen. An einer der besten Schulen - Sie würden den Namen kennen, wenn ich ihn sagen würde, aber ich beweihräuchere mich nicht gern selbst.« Wieder zeigte er dieses affektierte Lächeln.
Kincaid gab seiner Stimme einen strengen Ton. »Sagen Sie, Mr. Bainbridge, wäre es möglich, daß die schattenhafte Gestalt, die Sie beobachtet haben, Malcolm Reid war, Claire Gilberts Geschäftspartner? Bitte überlegen Sie ganz genau.«
Alle Farbe wich aus Bainbridges Gesicht, so daß es noch hagerer aussah als zuvor.
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