Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
als sie ins Freie traten, blieb sie stehen und blickte zu dem honigfarbenen Bau auf, der sich über ihnen erhob. Versonnen sagte sie: »Ich betrachte es als ein großes Glück, diese Gemeinde bekommen zu haben, und es wäre mir schrecklich, wenn irgend etwas die Harmonie in meinem Dorf zerstören würde. Tja, die Besitzerinstinkte werden schnell wach«, fügte sie mit einem Lächeln hinzu.
Kincaid, der den Hügel hinunter zum Pfarrhaus blickte, sagte: »Die Gärtnerin sind Sie, nehme ich an.«
»O ja«, antwortete Rebecca strahlend. »Der Garten ist meine Versuchung und mein Trost. Er war völlig verwildert, als ich vor zwei Jahren hier ankam. Seitdem bringe ich jede freie Minute in ihm zu.«
»Das sieht man.« Ihr Enthusiasmus war ansteckend, und Kincaid lachte.
»Das ist nicht allein mein Werk«, erklärte sie eilig. »An den Wochenenden hilft mir immer Geoff Genovase. Die schweren Arbeiten hätte ich ohne ihn niemals geschafft.«
Kincaid dankte ihr noch einmal, dann machten sie sich auf den Weg. Doch schon nach wenigen Schritten hörten sie noch einmal ihre Stimme. »Mr. Kincaid«, rief sie, »die Dynamik, die ein Dorf zu einem gut funktionierenden Organismus macht, ist sehr zerbrechlich. Sie werden doch vorsichtig sein, nicht wahr?«
»Das erklärt, warum sie den Klatsch nicht mitbekommen hat«, bemerkte Kincaid, als sie den Weg hinuntergingen. Während sie in der Kirche waren, war die Sonne tief nach Westen gesunken, das goldene Licht war zu einem weichen Graugrün verblaßt, Bäume und Häuser warfen lange Schatten.
»Was meinen Sie?« Deveney sah von der Seite in seinem Heft auf, die er im Gehen überflogen hatte.
»Die Beerdigung der Tante erklärt, wieso sie den Klatsch im Dorf nicht mitbekommen hat«, erläuterte Kincaid.
»Was spielt das denn schon für eine Rolle?« fragte Deveney leicht ungeduldig. »Reden Sie bei Vernehmungen immer so lang um den heißen Brei herum?«
»Ich weiß nicht, was für eine Rolle es spielt. Noch nicht. Und zu Ihrer Beruhigung kann ich Ihnen versichern, daß ich nicht immer so weitschweifig bin, aber manchmal ist das für mich die einzige Möglichkeit, ein Gefühl für die Situation zu bekommen.« Er blieb stehen, als sie den Fuß des Hügels erreicht hatten, und sah sich nach Deveney um. »Das ist kein einfacher Feld-Wald-und-Wiesen-Fall, Nick, und ich möchte wissen, was diese Leute hier von Alastair Gilbert gehalten haben, und wie er in das Gemeindegefüge hineingepaßt hat.«
»Na, mit der Landstreichertheorie machen wir jedenfalls keine Fortschritte«, sagte Deveney verdrossen. »Einen Namen haben wir noch auf unserer Liste: Mr. Percy Bainbridge im Rose Cottage. Das ist nur einen Katzensprung vom Pub, da können wir den Wagen stehen lassen.« Nachdem sie die Straße überquert hatten und am Anger entlanggingen, fügte er hinzu: »Das ist übrigens unsere jüngste Anzeige, erst vom vergangenen Monat.«
Das Rose Cottage war früher einmal vielleicht so romantisch gewesen wie der Name nahelegte, doch die Äste, die sich über der Eingangstür wölbten, waren kahl und verdorrt. Nur ein paar sterbende Chrysanthemen standen mit hängenden Köpfen am Weg. Deveney klingelte, und schon Augenblicke später wurde die Tür geöffnet.
»Ja?« Mr. Percy Bainbridge krauste die Nase und schürzte die schmalen Lippen, als störe ihn ein übler Geruch. Nachdem Deveney ihre Namen genannt und ihr Anliegen erklärt hatte, entspannten sich die Lippen zu einem gezierten Lächeln, und Bainbridge sagte in affektiertem Ton: »Oh, bitte, kommen Sie herein. Ich wußte, daß Sie mit mir würden sprechen wollen.«
Sie folgten ihm durch einen dunklen, schmalen Flur in ein überheiztes und überladenes Wohnzimmer, in dem es, fand Kincaid, schwach nach Krankheit roch.
Bainbridge war groß und mager, mit eingefallener Brust und gekrümmten Schultern. Pergamentgelb spannte sich die Haut über sein knochiges Gesicht und seinen fast kahlen Schädel. Ein wahrer Totenkopf, dachte Kincaid.
»Sie nehmen doch einen Sherry?« sagte Bainbridge. »Um diese Tageszeit trinke ich immer ein Gläschen. Das versüßt den Abend, finden Sie nicht auch?« Er goß aus einer Karaffe ein, während er sprach, und hatte die drei, etwas staubig aussehenden Kristallgläser schon gefüllt, ehe sie ablehnen konnten.
Kincaid dankte ihm und kostete vorsichtig und atmete auf, als der feine Amontillado über seine Zunge floß. Wenigstens würde es ihm
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