Deborah Crombie - 03 Und Ruhe in Frieden 04 Kein Grund zur Trauer
auf gewesen. »Gab es einen Hinweis darauf, daß sie bei einem Einbruch gestört hat?«
Lamb schüttelte den Kopf. »Nichts dergleichen. Wir haben bisher überhaupt keine brauchbaren Spuren gefunden.« Mit einem Blick auf seine Uhr fügte er hinzu: »Der Autopsiebericht müßte eigentlich jeden Moment kommen, aber ich kann Ihnen schon jetzt sagen, daß sie, nach den Pulverspuren an der Kopfhaut und der Größe der Eintrittswunde zu urteilen, aus nächster Nähe erschossen worden ist. Sie hatte überhaupt keine Chance.«
Kincaid sah, wie Gemma krampfhaft die Hände in ihrem Schoß ballte. »Und was halten Sie nun davon, Marc?« fragte er.
Lamb schob ein gerahmtes Bild gerade, das auf seinem vollbeladenen Schreibtisch stand. Frau und Kinder, dachte Kincaid, aber er konnte nur den Rücken des Rahmens sehen.
»Wir sind hier in einem ziemlich heißen Viertel«, sagte Lamb langsam. »Auf der einen Seite die Luxussanierungen und auf der anderen die verschiedenen ethnischen Gruppen, aber wir bemühen uns, es sauberzuhalten.« Er blickte auf und sah Kincaid in die Augen. »So sehr es mir widerstrebt, das über mein eigenes Revier zu sagen - das riecht nach einem Bandenmord.«
Mit Lambs Zustimmung suchten sie Sergeant Randall Talley auf, der in der Kantine seine Teepause machte. »Das ist er«, sagte Gemma mit einer Kopfbewegung zu einem kleinen, grauhaarigen Mann Mitte Fünfzig, der allein an einem Tisch saß.
Als sie zu ihm traten, bot Gemma ihm die Hand und stellte sich vor. »Erinnern Sie sich an mich, Sergeant Talley?«
Talley musterte sie, die dargebotene Hand demonstrativ übersehend, dann blickte er weg. Seine Augen waren von einem hellen, verwässerten Blau. »Ja, und?«
Angesichts von Gemmas Überraschung und Verwirrung zog Kincaid zwei Stühle heraus. Talley war offensichtlich nicht bereit, sich von einer ehemaligen Untergebenen befragen zu lassen, aber vielleicht würde er auf höheren Rang etwas kooperativer reagieren.
»Haben Sie was dagegen, wenn wir uns setzen, Sergeant?«
»Sie können tun, was Ihnen beliebt.« Er trank betont gemächlich seinen Tee aus und stieß seinen Stuhl vom Tisch weg. »Meine Pause ist vorbei.«
»Wir möchten Ihnen gern ein paar Fragen stellen, Sergeant. Mit Einverständnis Ihres Chefs. Sie waren einer der letzten, der mit Jackie Temple gesprochen hat, und wir dachten, Sie hat vielleicht eine Bemerkung gemacht, die uns einen Hinweis auf ihren Mörder gibt.«
»Sie ist auf der Straße von ein paar beschissenen Kriminellen abgeknallt worden. Was soll ich darüber wissen?« Er funkelte sie an wie eine aggressive Bulldogge, doch in seinen Augen standen Tränen. »Und Sie sind für den Mord an Jackie Temple nicht zuständig.«
»Aber für den Mord an Alastair Gilbert sind wir zuständig«, entgegnete Kincaid. »Und Jackie hat über Alastair Gilbert Erkundigungen eingezogen. Sie hat Sergeant James erzählt, daß Sie ganz schön sauer reagiert haben.«
»Und warum nicht? Wie kommt sie dazu, Gilbert was anhängen zu wollen und sein Andenken zu beschmutzen? Gilbert war ein guter Mann.«
Kincaid zog die Augenbrauen hoch. »Oh, ein Fan in einem Heer von Kritikern. Das ist eine nette Überraschung. Und was halten Sie von Chief Inspector David Ogilvie, Sergeant?«
»Ich hab’nie ein Wort gegen Chief Inspector Ogilvie gehört, und wenn, würd’ ich’s nie wiederholen.« Er stand auf. »Also, ich hab’ wirklich Wichtigeres zu tun, als meine Zeit mit Klatsch zu verschwenden. Einen schönen Tag noch.« Er machte auf dem Absatz kehrt und ging zwischen den Tischen hindurch zur Tür. Kincaid, der seinen schlingernden Gang beobachtete, fragte sich, ob Talley seine jungen Jahre auf weniger festem Boden verbracht hatte.
»Na so was«, sagte er zu Gemma. »Wenn Sie mich fragen, ich würde sagen, der Mann hat Todesangst.«
»Sie glauben doch nicht...« sagte Gemma langsam. »Der wurmstichige Apfel, von dem Jackie gesprochen hat, glauben Sie, sie könnte Sergeant Talley gemeint haben?«
Auf dem Schild auf dem Schreibtisch stand »Helene Vandemeer«. Gemma hatte recht gehabt. Das nicht mehr junge, etwas unscheinbare Gesicht Mrs. Vandemeers strahlte, als Kincaid sich mit einem charmanten Lächeln vorstellte.
»Oh, das tut mir wirklich leid, der Chief Inspector ist im Augenblick nicht hier«, sagte sie mit echtem Bedauern, als Kincaid nach Ogilvie fragte. »Er ist am Freitag zu einem Lehrgang gefahren, den er in
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