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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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wartete mit angehaltenem Atem, das Lächeln gefroren, bis sich die Falten über ihrer Nasenwurzel glätteten und sie das malvenfarbene Bettjäckchen seufzend fester an ihrem Hals zusammenzog.
      »In Ordnung. Aber nicht trödeln, Christopher. Vergiß das nicht. Du sollst deinem Großvater Tee kochen, wenn er nach Hause kommt. Ich kann mich schließlich nicht um alles kümmern«, fügte sie hinzu. Kit beherrschte sich mühsam. Sein Großvater hatte Eugenia bedient und gepflegt, seit Kit im Haus war, und sie doch nie zufriedengestellt oder länger von der Schachtel ablenken können, die immer neben ihrem Bett stand. Sie enthielt Souveniers aus der Kindheit seiner Mutter, Zeugnisse und Fotos, Kreidezeichnungen, Medaillen von Rechtschreibwettbewerben und ein Stückchen Spitze von einem Partykleid.
      »Selbstverständlich, Großmutter«, erwiderte er im Brustton der Überzeugung. »Ich kümmere mich um alles.«
      »Hol mir meine Handtasche aus dem Wohnzimmer. Ich gebe dir ein Pfund. Mehr brauchst du nicht. Und ich erwarte, das Wechselgeld nachgezählt zu bekommen.«
      Eugenia sank in die Kissen zurück und schloß die Augen. Es sah aus, als habe sie die kleine Ansprache völlig erschöpft. Kit tat, was sie von ihm verlangte, bevor sie ihre Meinung ändern konnte. Sie war allerdings nicht so schwach, daß sie die Henkel ihrer Handtasche auch nur einen Moment aus der Hand gegeben hätte. Hatte sie kein Vertrauen zu ihm? Glaubte sie, er würde den Rest in die eigene Tasche stecken, wenn man ihm eine Pfundnote anvertraute?
      Seit der Beerdigung am Vortag hatte sie zu Kits - und dieser vermutete, auch seines Großvaters - großer Erleichterung, das Bett gehütet. Der Großvater und er hatten endlos in der Küche Karten gespielt. Eine Zeitlang hatte die ruhige, selbstzufriedene Gegenwart des Großvaters den Druck auf seiner Brust erleichtert. Heute jedoch war Bob Potts mittags in sein Versicherungsbüro gerufen worden. In der Abwesenheit ihres Mannes war Eugenia immer gereizter geworden, hatte so lange wegen Nichtigkeiten an Kit herumgenörgelt, bis er am liebsten laut geschrien hätte.
      Seine Schritte wurden jetzt langsamer. Er hatte die Reihen flacher Backsteinhäuser passiert. Er wußte, daß der Tesco-Supermarkt am Ende der Straße bereits zu sehen sein mußte, aber er starrte beharrlich weiter auf die Spitzen seiner Joggingschuhe und schlurfte über das Pflaster. Der Schnürsenkel seines rechten Schuhs hatte sich gelöst, und als er niederkniete, um die Schuhe zu binden, fiel ihm ein, wie oft seine Mutter ihn wegen der Schnürbänder ermahnt hatte.
      Plötzlich sah er sie lebhaft vor sich. Sah, wie sie sich das Haar mit resigniertem Lächeln aus der Stirn strich. Kit erstarrte, ein Knie gebeugt, die Hände bewegungslos über den losen Enden der Schuhbänder, und hatte Angst, die geringste ' Bewegung seinerseits könne ihr Bild zerstören.
      »Du brichst dir eines Tages den Hals, Kit. Du wirst noch an mich denken«, sagte sie lachend. Es war ein stehender Ausdruck zwischen ihnen gewesen, ein Witz über all die unlogischen Dinge, die Mütter zu ihren Kindern sagen. Als sie die Hand ausstreckte, um ihm durchs Haar zu fahren, verschwand das Bild, und er fühlte nur noch den Wind.
      Ein stechender Schmerz fuhr ihm in die Brust, und er schluchzte auf. Seine so mühsam bewahrte Beherrschung war im Eimer. Warum sie? Warum nicht er? Dann müßte er jetzt nicht hier sein, mit diesem Kloß in der Brust, der mehr war, als er ertragen konnte. Kit preßte das Gesicht auf sein Knie und weinte.
      Zuerst schien das leise Rauschen vom Blut zu kommen, das in seinen Schläfen pochte. Dann wurde ihm allmählich klar, daß es sich um ein von ihm losgelöstes Geräusch handelte.
    • Sein Schluchzen verebbte. Er horchte. Der Wind war es nicht ... der Wind wehte stetig, wie ein leises Stöhnen knapp unterhalb der Wahrnehmungsgrenze. Er sah auf, rieb sich das Gesicht. In diesem Moment traf ihn der Regen wie eine Dusche, prasselte wie tausend Nadelstiche auf ihn nieder und durchweichte seine Sachen in Sekunden bis auf die Haut.
      Kit schoß wie ein Sprinter aus den Startblöcken hoch und rannte blindlings los, um sich irgendwo unterzustellen. Er hörte am Klang seiner Schritte, daß er den geteerten Parkplatz des Supermarkts erreicht hatte. Dann tauchte das Tesco-Zeichen vor ihm auf. Er erkannte blitzschnell, daß die Rückseite des Gebäudes näher war, schwenkte in Richtung der Mülleimerreihen ein und zwängte

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