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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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habe das Versteckspiel satt. Es geht schon zu lange ...« Sie schloß kurz die Augen und holte tief Luft. »Am College haben wir ein bißchen herumprobiert. Für Lydia war es damit erledigt. Erst als sie nach ihrem Selbstmordversuch nach Cambridge zurückgekommen war, haben wir eine ernsthafte Affäre miteinander angefangen. Aber selbst dann hatte sie andere Prioritäten. Sie suchte nur Trost, seelischen Beistand. Sie hatte für sich beschlossen, keine Beziehung zu einem Mann mehr zu riskieren. Bei mir war sie in Sicherheit.« Daphne lächelte humorlos.
      »Und selbst damals im College hat es ihr nur dann wirklich Spaß gemacht, wenn die Jungs zugesehen haben. Lydia hat mir also mehr oder weniger einen Gefallen getan - dafür, daß ich ihr Freundschaft und Halt gegeben habe.«
      »Und das war Ihnen von Anfang an klar«, bemerkte Gemma.
      »Oh, natürlich habe ich erst versucht, mir etwas vorzumachen. Aber lange hält man das nicht durch. Und als Lydia wieder Boden unter den Füßen hatte, hat sie mich als ... lästig empfunden. Sie hatte einigen Erfolg mit ihrer Lyrik, und sie bewegte sich in intellektuellerer und spektakulärerer Gesellschaft, als ihre alten Freunde ihr bieten konnten.« Daphne verstummte und starrte an ihnen vorbei ins Leere.
      »Also hat sie die Beziehung zu Ihnen abgebrochen, und Sie haben angefangen, Ihre Rache zu planen«, warf Kincaid ein.
      Daphne schien einen Moment verdutzt zu sein. Dann lachte sie laut auf. »Blödsinn, Mr. Kincaid. Ich habe die Beziehung abgebrochen. Ich wollte niemandem zur Last fallen. Also habe ich Lydia verlassen.« Ernster fügte sie hinzu: »Die Folgen allerdings - die waren für mich damals nicht abzusehen.«
      »Was ist passiert?« fragte Gemma und warf Kincaid einen scharfen Blick zu.
      »Lydia war völlig am Boden zerstört.« Daphne hielt inne. Sie lehnte sich entspannt gegen das Fensterbrett und verschränkte die Arme vor der Brust. Die Aussprache schien ihr gutzutun. »Sie hat mir einen Brief geschrieben. Darin stand, alle Menschen, die sie liebe, würden sich von ihr abwenden, und das sei ihre Schuld, weil sie sich selbst hasse. Das Schreiben lag in meiner Post, nachdem sie ihren Wagen gegen einen Baum an der Straße nach Grantchester gefahren hatte.«
      Das war der zweite Selbstmordversuch, dachte Gemma. Der, für den Vic keine Erklärung gefunden hatte. »Und danach?«
      »Sie hat sich langsam erholt, und ich habe ihr geholfen. Ich habe aufgehört, mehr von ihr zu erbitten, als sie mir geben konnte. Wir sind Freundinnen geworden - auf andere Art. Es waren die besten Jahre meines Lebens. Von da an bis zu Lydias Tod.« Daphnes kühle, mitleidslose Analyse machte Gemma frösteln.
      »Und vor ihrem Tod? Ist da nichts mehr geschehen?« wollte Kincaid wissen. »Keine Kräche, keine seltsamen Verhaltensweisen?«
      Daphne schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, da muß ich Sie enttäuschen, Mr. Kincaid. Nichts Ungewöhnliches. Und ich habe Lydia nicht umgebracht, um meinen Ruf zu schützen, falls Sie darauf hinauswollen. Und auch Ihre Dr. McClellan nicht. Vor Lydias Tod hatte ich mit dem Gedanken gespielt, mich frühpensionieren zu lassen. Deshalb habe ich das Wochenendhaus gekauft. Damit Lydia und ich zusammen arbeiten konnten. Sie an ihren Gedichten, ich an meinem Roman.«
      Daphne schwieg und schien zu einem Entschluß zu kommen. »Das ganze Wochenende habe ich darüber nachgedacht, was Sie neulich gesagt hatten. Daß Lydia möglicherweise ermordet wurde. Ich weiß nicht, wer so was getan haben sollte, und der Gedanke, daß man ihr das Leben genommen hat, bevor sie für den Tod bereit war, ist furchtbar. Trotzdem war diese Vermutung für mich wie eine Befreiung. Ich weiß jetzt, daß Lydia glücklich war - glücklich mit dem, was wir in den letzten Jahren zusammen hatten. Und in diesem Fall muß ich vollenden, was wir begonnen haben. Ich will diesen Roman schreiben, und zwar schnell. Ich habe mich mittlerweile damit abgefunden, daß Lydia nicht dasein wird, um mir zuzuhören.«
     
    »Wer hat außer Daphne ehrlich um Lydia getrauert?« fragte Gemma, als sie die Auffahrt hinuntergingen, die sich von der Schule zum Parkplatz schlängelte. »Ich meine, um Lydia, wie sie war, als sie starb, nicht um die Lydia der Vergangenheit.« Es war ein schöner, windiger Tag, und der Wind riß an ihrem Rock, wickelte ihn um ihre Beine. Sie mußte stehenbleiben und eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht streichen, bevor sie den Wagen

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