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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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schloß die Augen, als sie die einzelnen Komponenten zu definieren versuchte. Hing da nicht auch noch vier Jahre nach dem Tod der Mutter ein Hauch von Teerosenduft in der Luft? Es war das Lieblingsparfüm der Mutter, und das Haus war von Frühjahr bis zum ersten Frost mit Gartenrosen gefüllt gewesen. Blieben Düfte wie Gespenster latent vorhanden, unsichtbar und doch präsent für diejenigen, die fähig waren, sie wahrzunehmen?
      Sie sah zum Portrait der Mutter im Treppenaufgang hinauf. Spitzenschal und Hut, die Isabel Hammond auf dem Bild trug, verbargen zum großen Teil ihr rotgoldenes Haar, doch die Augen, die auf sie herabblickten, waren Annabelles Augen.
      Das einzig Gute, das Jo im Tod der Schwester erkennen konnte, war, daß ihre Mutter ihn nicht hatte erleben müssen. Obwohl die Mutter Annabelle objektiver gesehen hatte als die meisten, hatte sie sie nichtsdestotrotz sehr geliebt. So wie Jo die eigenen Kinder liebte - trotz ihrer Fehler -, und ihr wurde klar, daß sie sich mit ihrem Tod, in welchem Alter auch immer, nie würde abfinden können.
      Als sie das Wohnzimmer betrat, schlug ihr der Geruch des Vaters entgegen, das herbe Aromaseiner Rasierseife, überlagert von dem scharfen Geruch von Leim und dem leicht würzigen Duft von Balsaholz. Er war schon immer sehr geschickt mit seinen Händen gewesen, und als zuerst die Krankheit der Mutter, dann die eigene, ihn gezwungen hatte, das Tagesgeschäft in der Firma Annabelle zu überlassen, hatte er angefangen, Modelle von alten Teefrachtseglern zu bauen. Seit seiner Kindheit hatte ihn die komplizierte Präzision der Konstruktion von Schiffen fasziniert, die als erste Tee nach Großbritannien gebracht hatten.
      Der Eßtisch diente ihm als Werkbank, und er hatte das Speisezimmer nicht nur zweckentfremdet, sondern auch selbstgebaute, beleuchtete Vitrinen für seine Modelle aufgestellt.
      Jo hob ein halbfertiges Modell hoch, strich mit den Fingern über die geschwungene Linie des Rumpfs und suchte nach kleinen Fehlern. Waren diese Holzmodelle Ersatz genug für den Verlust einer Tochter, die ihm alles bedeutet hatte?
      Er lebte noch immer von seinen Firmenanteilen ... wie auch, bis zu einem gewissen Grad, sie selbst. Jedenfalls hielt das Einkommen aus der Firma auch ihr kleines Unternehmen in Schwung, erlaubte es ihr, zu Hause zu arbeiten und gleichzeitig für die Kinder dazusein. Würde Hammond’s ihnen weiterhin diese finanzielle Sicherheit bieten können ... ohne Annabelle?
      Jo schüttelte den Kopf und ging zum Getränkeschrank. Es hatte keinen Sinn, so weit vorauszudenken. Erst war dieser Abend zu überstehen; morgen würde sie an den nächsten Schritt denken. Eines nach dem anderen zu nehmen, das hatte sie nach dem Tod der Mutter gelernt. Sie schenkte sich den geliebten Courvoisier des Vaters in einen Kognakschwenker, ging damit ins Wohnzimmer und sank in den Sessel am Kamin. Die Fenster standen weit offen, und die Vorhänge bauschten sich von Zeit zu Zeit im Abendwind.
      Grüner Samt. Die Wahl der Mutter. Wenn Jo neben ihnen stand, glaubte sie den Pfeifentabak zu riechen, den ihr Vater geraucht hatte, als sie Kinder gewesen waren. Annabelle war diejenige gewesen, die nicht geruht hatte, bis er das Rauchen aufgegeben hatte. Sie hatte behauptet, ihr würde davon schlecht, sie könne es nicht ertragen, mit ihm in einem Zimmer zu sein, wenn er rauche; den Gnadenstoß hatte sie ihm gegeben, indem sie sich wochenlang geweigert hatte, ihm einen Gutenachtkuß zu geben. Als Machtprobe war dieser Trick brillant und das erste Anzeichen dessen gewesen, was sie noch von Annabelle zu erwarten hatten.
      Jos Hand zuckte beim Geräusch eines näher kommenden Wagens, und Kognak schwappte über den Glasrand. Sie hielt die Luft an. Wie sollte sie es nur anstellen? Was hatte sie mit ihren vierunddreißig Jahren darauf vorbereitet, ihrem Vater diese schreckliche Nachricht überbringen zu müssen? Einen kurzen Augenblick lang hoffte sie, daß Reg Mortimer seine Eltern bereits angerufen und Peter und Helena es ihm gesagt haben könnten; dann schimpfte sie sich einen Feigling. Kies knirschte, als der Wagen in die Einfahrt einbog. Sie hörte, wie die Schaltung knackte, als das Auto bergauf fuhr.
      Vorsichtig stellte sie das Glas auf den Beistelltisch und stand auf. Ihre Glieder fühlten sich komisch an, unkoordiniert wie die eines Kleinkindes, und sobald sie sich aus dem Sessel gestemmt hatte, blieb sie wie angewurzelt stehen. Die Autotür schlug zu, und

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