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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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der Tunnelmauer unter der gewölbten Decke lehnte, den Klarinettenkasten und den Hund zu seinen Füßen. Im nächsten Moment sprang die Aufnahme zur nächsten Filmsequenz über, und Gemma fühlte sich automatisch an die ruckartigen Bewegungen alter Stummfilme erinnert.
      Jetzt stand eine Frau vor Gordon. Sie hatte der Kamera den Rücken zugewandt, doch Gemma erkannte das schmale, schwarze Jackett und den kurzen Rock und das, selbst auf dem Schwarzweißfilm unverkennbare Haar. Es war Annabelle Hammond.
      Offenbar redete sie auf Gordon ein. Ihre Körperhaltung war eindeutig. Gordon blieb stumm. Dann streckte Annabelle eine Hand aus, berührte wie flehentlich seinen Arm. Gordon sah sie zum ersten Mal an und schüttelte den Kopf. Einen Augenblick verharrte Annabelle unbeweglich, die Hand auf seinem Arm. Dann drängte sie sich an ihm vorbei und lief durch den Tunnel davon, blinde Wut in jedem Schritt.
      Dann sprang der Film ruckartig zu den Aufnahmen einer anderen Kamera über. Die Szene zeigte Gordon Finch, wie er bedächtig seine Klarinette zerlegte, niederkniete und die Einzelteile sorgsam in den Instrumentenkasten packte. Auf dem Fußboden kauernd, lehnte er sich schließlich gegen die weißgekachelte Tunnelwand und schloß die Augen. Eine Hand hatte er auf den Kopf seines Hundes gelegt.
      Anschließend erfolgte die Umschaltung auf die nächste Kamera. Diese zeigte schließlich nur Szenen mit unbekannten Fußgängern. Die Stelle an der weiß gekachelten Wand, wo Gordon Finch gestanden hatte, war jetzt leer. Janice hielt das Band an.
      Gemma merkte erst jetzt, daß sie automatisch die Luft angehalten hatte. »Ist das alles?« fragte sie atemlos.
      »Ja. Bei keiner späteren Kameraeinstellung tauchen die beiden noch mal auf«, sagte Janice und spulte das Video zurück. »Für mich ist die Frau Annabelle Hammond. Oder was meinen Sie?«
      »Er hat also gelogen.«
      »Ist kaum zu übersehen, daß er sie gekannt haben muß.« Janice glitt vom Schreibtisch und knipste die Deckenbeleuchtung an. Dann ging sie zu ihrem Stuhl, setzte sich und schnippte einen Fussel von ihrer Hose.
      Daß Gordon Annabelle gekannt hatte, kam für Gemma nicht überraschend. Trotzdem war sie weder auf die Heftigkeit der Emotionen, die die gespenstische Stummfilmszene vermittelte, noch auf das merkwürdige Gefühl vorbereitet gewesen, das die lebendige Annabelle bei ihr auslöste. »Ist er ihr gefolgt?« fragte sie.
      »Sieht kaum danach aus, als hätten die beiden ein Treffen vereinbart«, urteilte Janice. »Ich habe eher den Eindruck, daß sie etwas von ihm wollte, das er rundweg abgelehnt hat.«
      Gemma ließ sich auf den Besucherstuhl sinken und zog den Rock unter ihren Schenkeln glatt. Sie hatte das luftigste Kleidungsstück angezogen, das sie in ihrem Schrank hatte finden können: ein kurzes, indisches Baumwollkleid. »Vielleicht hat sie ihn um eine Unterredung gebeten, und er hat zuerst abgelehnt, sich jedoch später anders entschieden.«
      »Aber wütend ist sie, nicht er gewesen. Weshalb also hätte er sie umbringen sollen?«
      »Wir wissen ja nicht, worum der Streit ging. Oder wie er letztendlich darauf reagiert hat«, gab Gemma zu bedenken.
      »Trotzdem ... selbst wenn er sie später noch getroffen hat, muß er nicht der Mörder sein. Und was ist mit Mortimer? Er behauptet, die beiden zusammen gesehen zu haben ... Woher wollen wir wissen, daß er ihr nicht aufgelauert hat?« fragte Janice trotzig mit düsterem Blick.
      Gemma betrachtete sie aufmerksam. »Sie verteidigen ihn, was? Gordon Finch, meine ich. Warum?«
      »Tue ich nicht«, widersprach Janice hitzig. Dann zuckte sie die Schultern. Sie wirkte plötzlich verlegen. »Ist nur ... Ich bewundere, wofür er sich einsetzt. Sie wissen schon, die übliche Robin-Hood-Story: Sohn von reichem Mann kehrt zu seinen Wurzeln zurück und kämpft für die Unterprivilegierten. Ist vielleicht alles Humbug. Außerdem hat gerade sein Vater verdammt viel für die Insel getan. Und weil wir gerade vom Vater reden ...«, fügte Janice hinzu, »ich bin da auf was gestoßen.«
      Gemma spürte das Zögern der Kollegin. »Na, was ist? Hat er seinen Strafzettel für falsches Parken nicht bezahlt?« fragte sie amüsiert. Janice verzog keine Miene. Gemma seufzte. »Also, spannen Sie mich nicht länger auf die Folter.«
      »Sie hatten recht ... was George Brent betrifft. Bin gestern abend noch mal bei ihm gewesen. War nicht schwierig, seinem

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