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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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die Bäume spärlicher, und sie wanderten zufrieden schweigend nebeneinander her. Sie verbrachten eine Stunde damit, die Gräben und Wälle des Forts aus der Eisenzeit zu erforschen, und stellten sich dabei Schlachten vor, die ihnen wirklicher erschienen als die Gerüchte aus Europa, und als sie oben auf dem Leith Hill standen, verspürten sie einen Bärenhunger.
      Nachdem sie beschlossen hatten, erst Picknick zu machen und dann den Turm zu besteigen, setzten sie sich auf eine Steinbank in der Sonne und sahen in Richtung eines Dunststreifens am Horizont, von dem sie annahmen, daß es der Ärmelkanal sein müsse. Den Mund voller Schinken und Käse, deutete Lewis in die Ferne. »Wenn die Deutschen kommen, könnte man sie von hier oben sehen.«
      »Wenn sie kommen! Mein Vater sagt, daß man den Krieg jetzt den >Sitzkrieg< nennt.« William sah Lewis an. »Möchtest du nach Hause?«
      Lewis spülte sein Sandwich mit Tee hinunter, während er seine Antwort überdachte. Wollte er nach Hause? Noch vor einem Monat hätte er die Frage umgehend mit Ja beantwortet. Jetzt sagte er mit einem Achselzucken: »Weiß nicht. Wirklich nicht. Ich vermisse meine Mum und meinen Dad. Manchmal sogar meine Schwester. Andererseits gefällt’'s mir hier.« Er griff in die Papiertüte nach einem der Äpfel, die die Köchin für sie eingepackt hatte. »Und du? Möchtest du nach Hause?«
      »Nach Hause? Da hätte ich nichts dagegen. Aber dann müßte ich auch wieder in die Schule«, antwortete William und zog eine Grimasse. »Du hast keine Ahnung, wie’s dort ist«, fügte er hinzu. Lewis, der den Ausdruck auf Williams sonst so offenem Gesicht sah, verfolgte das Thema nicht weiter.
      »Was ist mit Mr. Cuddy?« fragte er statt dessen. »Wie ist er denn so?« Der Hauslehrer, ein hagerer Mann mit Brille im Alter von Lewis’ Vater, hatte einen freundlichen Eindruck gemacht.
      »Der ist in Ordnung. Wird nur allmählich langweilig, den ganzen Tag allein mit ihm zu verbringen. Und Mathe ist ein Hammer. Ist das Steckenpferd vom alten Cuddy, und ich bin nicht besonders gut in dem Fach.«
      »Vielleicht könnte ich dir gelegentlich helfen«, bot Lewis zögernd an. »Ich mag Mathe. War immer meine beste Note in der Schule. Aufsatz ist schlimmer.«
      »Da bin ich besser. Vielleicht schreibe ich einen für Mr. Cuddy ... über das Reh«, überlegte William, grinste, und sie brachen erneut in Gelächter aus.
      Diese Unterhaltung trug einige Wochen später unerwartet Früchte. Edwina rief Lewis in ihren Salon und sagte ihm, daß sie mit Zustimmung von Williams Eltern verfügt habe, daß er von jetzt an gemeinsam mit William privat unterrichtet werde. »Ich habe auch deinen Elterngeschrieben. Und sie sind wie ich der Meinung, daß das eine ausgezeichnete Chance für dich ist. Du bist ganz offenbar ein kluger Junge, Lewis, und du verdienst eine bessere Erziehung, als die Dorfschule sie bieten kann.«
      »Aber ich geh gern in die Schule ... und was ist mit meinen Kameraden? «fragte Lewis zögernd. Er wollte nicht unhöflich erscheinen.
      Edwina zündete mit dem silbernen Feuerzeug vom Kaminsims eine Zigarette an, und der durchdringende Geruch von Tabakrauch erfüllte den Raum. »Warren Cuddy hat in Oxford studiert und ist ein ausgezeichneter Lehrer. Er kann dir neue Welten eröffnen. Freunde kommen und gehen, Lewis, aber das, was du gelernt hast, kann dir niemand nehmen. Du kannst es nach deinem Gutdünken einsetzen. Vielleicht merkst du das jetzt noch nicht«, fügte sie mit einem Lächeln hinzu, »aber von diesem Tag an ändert sich dein Leben in einer für dich unvorstellbaren Weise.«
     
    »Allmählich habe ich den Verdacht, daß William Hammond seine Tochter Annabelle durch eine mehr als rosarote Brille gesehen hat ... was natürlich sehr bequem war«, bemerkte Kincaid, als sie in der größten Mittagshitze den Hang hinunter zum Zentrum von Greenwich schlenderten.
      »Das ist doch nichts Ungewöhnliches«, konterte Gemma. »Die meisten Eltern idealisieren ihre Kinder ... besonders wenn’s um die Beziehung zum anderen Geschlecht geht. Jo Lowell andererseits schien die Andeutung kaum zu überraschen, daß ihre Schwester ihren Verlobten betrogen haben könnte.«
      »Frage mich nur, welche Rolle Mortimer in diesem Zusammenhang gespielt hat. War Annabelle für ihn über jeden Tadel erhaben? Wenn das der Fall war und er von ihrer Affäre mit Gordon Finch Wind bekommen hatte, dann könnte der Schock ihn zum Äußersten -

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