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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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möglich in die Dorfschule integriert worden waren, hatten Williams Eltern für ihren Sohn einen Privatlehrer engagiert, der im Herrenhaus wohnte. Um dieses Privileg allerdings beneidete Lewis William nicht im mindesten.
      An einem strahlend schönen Samstag Ende Oktober erschien William im Stall, als Lewis gerade mit den Pferden fertig war. Er trug einen dicken Pullover und eine kurze Hose mit vielen Taschen. Auf dem Rücken hatte er einen Rucksack und in der Hand einen großen, geschnitzten Stock.
      Lewis spähte hinter Zeus’ Kopf hervor (er hatte seine Scheu gegenüber William längst abgelegt), grinste und fragte: »Was willst du denn in dem Aufzug?«
      »Ist eine anständige Wanderausrüstung«, erwiderte William. »Meine Eltern haben sie mir zum Geburtstag geschickt. Ich will den Leith Hill besteigen. Heißt, man könnte von seinem Turm aus dreizehn Grafschaften sehen.«
      »Du siehst aus, als wolltest du auf den verdammten Mount Everest steigen«, bemerkte Lewis spöttisch, aber sein Interesse war geweckt.
      »Du kannst mitkommen«, bot William leichthin an. Dann versüßte er die Einladung mit einem Lockmittel: »Ich habe belegte Brote von der Köchin dabei. Schinken und Käse.«
      Lewis verteilte die letzte Gabel frischen Strohs'in Zeus’ Box und hängte die Gabel an die Stallwand. »Aber ich habe keine Ausrüstung wie du.«
      »Brauchst du nicht. Du kannst meinen Stock nehmen, wenn du willst. Ich hole einen anderen aus der Waffengalerie.«
      Lewis wischte sich die Handflächen an der Hose ab, nahm den Stock, und während er ihn in der Hand drehte, wähnte er sich bereits als Gipfelstürmer. »Also gut, ich komme mit.«
      Kurz darauf marschierten sie die Straße hinunter in Richtung Dorf. Sandwiches und eine Thermosflasche Tee steckten in Williams Rucksack. Aus einer der großen Taschen in seiner Hose zog William ein gefaltetes Stück Papier. »Ist Tante Edwinas Generalstabskarte von Surrey«, erklärte er und strich die Falten glatt. »Schau her! Wir gehen über Coldharbour und kommen durch Holmbury zurück ... oder umgekehrt. Der Anstieg auf der Holmbury Route ist steiler.«
      Lewis studierte die Karte. Er wollte nicht zugeben, daß er nie zuvor eine Landkarte gesehen hatte und daher auch die Signaturen nicht verstand. »Coldharbour, würde ich sagen. Ich möchte das Fort der Dänen sehen.« Er hatte von den alten Wallanlagen von einem Jungen aus der Schule gehört. »Außerdem gab’s in der Gegend auch Schmuggler«, fügte er hinzu und sah William an, um dessen Reaktion auf diesen Leckerbissen zu testen.
      »Nie gehört«, erwiderte William einigermaßen skeptisch.
      »Doch, sogar John hat davon erzählt.« Lewis wußte, daß damit die Sache klar war, denn sie hatten die Erfahrung gemacht, daß John Pebbles über ein detailliertes und unfehlbares Wissen über die Gegend verfügte. Sie marschierten weiter und zeigten sich gegenseitig Stellen, die als gute Schmugglerstrecke gedient haben könnten.
      Sie folgten eine Zeitlang dem Verlauf des Tillingbourne und begannen einen Anstieg, der sie in dunkles, dichtes Waldland führte. Lewis, der seine Platzangst unter Bäumen noch nicht ganz überwunden hatte, bekam Angst, daß sie sich verlaufen könnten, wäre jedoch lieber gestorben, als das laut zuzugeben.
      Wie um sich selbst zu beruhigen, sagte William: »Bin sicher, das ist der richtige Weg. Ich kann Karten lesen. Und Tante Edwina hat gesagt, es sähe so aus, als müßten wir lange durch den Wald gehen.«
      Er drängte sich auf dem weichen, mit Laub bedeckten Pfad etwas näher an Lewis.
      Plötzlich knackten Äste, und Laub raschelte, und ein Reh brach direkt vor ihnen aus dem Gebüsch und sprang über den Weg. Lewis sah nur dunkle, überraschte Augen und ein weißes Hinterteil aufblitzen, dann fiel er rückwärts. Er schlug so heftig auf dem Boden auf, daß er keine Luft mehr bekam.
      William war bei einem mißglückten Fluchtversuch gegen den nächstbesten Baum geknallt und hielt diesen jetzt in Todesangst fest umklammert. Sie starrten einander aus großen Augen an und begannen zu lachen.
      »Heiliger Strohsack, ich hätte mir beinah in die Hosen gemacht«, keuchte Lewis und schnappte nach Luft, als William ihm auf die Füße half. Dabei mußte er nur noch mehr lachen, und sie stolperten weiter, während ihr Lachen vielfach durch den Wald hallte, bis sie sich die Tränen aus den Augen wischen mußten.
      Als sie sich Coldharbour näherten, wurden

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